Et voilà - Homeparadize - Homeparadize

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Et voilà

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 26/6/2016 14:33:00
Vergangenen Sonntagabend las ich Zeitung - während mein Lamm­ra­gout mit Auberginen, grünem Spargel, rotem und grünem Basilikum, abgelöscht mit Portwein - vor sich hinköchelte. Ich las von den Strassen­schlachten der Hooligans und den kriegsähnlichen Zuständen in Mar­seille und brach in Tränen aus. Eigentlich wollte ich mich nach dem Essen voller Freude und Begeisterung endlich an meinen Marseillerblog setzen, um euch ein paar Impressionen mitzuteilen. Doch meine Bestür­zung war sehr gross und der Alltag forderte in der vergangenen Woche seine volle Aufmerksamkeit. Also starte ich eine knappe Woche später, kurz vor dem letzten Spargelschälen für dieses Jahr, einen zweiten Anlauf.

Für alle Blogeinsteiger wichtig zu wissen: Ich liebe Marseille. Aus vielen Gründen. Mein mehr oder weniger Dauerblogthema. Und nein, es ist auch kein verirrter Reiseblog sondern eine Wiedergabe meiner Impres­sionen. Doch lest selbst:
 
Wir kamen am Freitagmittag vor Pfingsten an. Im Gegensatz zu letztem Jahr empfing uns diese Mal nicht der warme Mittelmeerwind sondern geich der Mistral. Er umschlang uns mit seiner ganzen Macht, blies die ganzen fünf Tage und bescherte aber 25 Grad und Sonnenschein. Einmal sogar setzte er mich mit seinen mehr als 50 kmh unvermittelt auf den Po. Ein anderes Mal deckte er am Cours d’Estienne d’Orves die gedeckten Tische der Restaurants ab und später fegte er Adrian und mich am MuCem beinahe weg. Ich liebe - und tat es schon immer - den Wind, doch der Mistral ist ein neues noch spannenderes Kapitel.

Nun also trotzten wir dem Mistral und suchten unser Hotel, das übrigens im Lodi liegt und nicht wie von mir zuvor vermutet im Le Panier oder Noailles. Zu sagen ist allerdings, dass Lodi direkt neben Noailles liegt und ich im Vorfreudeblog ein paar Wochen zuvor, immerhin nicht ganz falsch lag. Egal, wir trotzten dem Wind und fandens. Packten aus, wechselten die Schuhe und los gings.

Eigentlich wollten wir schnurstracks zum Vieux Port, doch der Hunger lenkte uns am Cours Julien in eines der vielen Bistros. Dort verdrückte ich meinen ersten Salat Nicoise mit frischem Brot und Weisswein aus der Region: Ich weiss nicht mehr, ob Cassis oder La Ciotat, aber jeden­falls weit im Süden. Blickte in Adrians Augen, lauschte dem Französisch rundherum, dunkle Wolken jagten dem Sonnenschein hintendrein, um erneut von den Sonnenstrahlen aufgefressen zu werden und war glücklich.

Wir bestaunten in den Strassen um den Cours Julien die vielen Graffitis an den Laden- und Hausfassaden. Die Stadt Marseille erlaubt nämlich in einzelnen Quartieren die Streetart.

Immer noch am Cours Julien blieben wir dann beinah drei Stunden am Bücherflohmarkt hängen. Praktischerweise lag gleich ums Eck unser Hotel; wir wollten ja unseren Bummel zum Hafen nicht mit ca. 8kg Büchern unter dem Arm machen. Eigentlich wollten wir ja direkt dorthin, doch verpassten wir die direkte Strasse.

Wir nahmen die nächste Querstrasse und schon standen wir in der Licorne Savonerie. Dies ist eine traditionelle Seifenfabrik und eine der grössten Marseilles. Ein kompetenter junger Mann lud uns ein zur Besichtigung und wir folgten brav den anderen Interessierten. Alles in allem spannend. Man fühlte sich etwa 150 Jahre zurückversetzt, denn die Seifenherstellung bei Licorne hat nichts mit Moderne zu tun. Später fanden wir heraus, dass wir immer noch am Cours Julien waren und um­geben von Restaurants. Kurzerhand reservierten wir in einem der kleinen, schmalen Bistros für 20 Uhr einen Tisch.

Vertraut durch die vielen Strassen gehend, in manche Schaufenster die Nase platt drückend, das erste Mal aus irgendeiner Küche gebrutzeltes Olivenöl mit Knoblauch riechend, kamen wir später dann doch noch zum Vieux Port.

Dann; ENDLICH !!! Der Blick aufs Mittelmeer. Das Riesenrad. Le Miroir. Arabische Trommeln dazu spontan tanzend zwei ganz kleine Kinder, Kräuter und Gewürze am Stand des Maghrebien, direkt am Stand bemalt werdende Keramik aus einer Potterie aus dem 9. Arrondissement, Seifen- und Gewürzgerüche alle direkt aus der Provence, Möwen­geschrei und Menschengelächter. Wellengeklatsche an den vielen Booten. Le Vieux Port.

Irgendwo der erste Kir, dem Treiben zusehend, lauschend, entführt in den Moment. Leben im Moment und nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft sondern IM MOMENT. Das lehrte mich Adrian. Endlich kann ich es. Während dem Schreiben dieses Blogs bin ich aber vollkommen in meiner Bilderwelt und den vielen Erinnerungen an diese Tage versun­ken.

An diesem Abend ass ich die für mich göttlichsten Fruits de Mer. Hübsch angerichtet ganz nach mei­nem Geschmack. Ganz kleine Pulpos, Cala­maresringe, Scampis, Peperoncini-Scheibchen, zer­pflückten Rucola, göttliches Olivenöl und Meersalz auf einem grossen Teigwarenblatt angerichtet. Als Dessert nahm ich ein Rosmarin-Pannacotta mit Zitro­nenmelisse. Dankbarer Pannacotta übrigens. Der lässt sich vielfältig anreichern. Lasst euch also überraschen, was mir alles noch an Rezep­ten in den Sinn kommen wird J

Wir entdeckten viel Neues dieses Jahr und sahen sehr viel von Mar­seille. Begreift man das Terrassensystem ist es ein Leichtes sich zu na­vigieren. Irgendwann liefen uns die Tage davon und wir begriffen, wir haben noch lange nicht alles gesehen. Ein Grund mehr wieder­zukommen.

Kaum zurück in Basel begannen wir die Serie Marseille mit Gerard De­pardieu zu gucken, die aus­schliesslich in Marseille gedreht wurde und beinah bei jeder zweiten Aussenaufnahme sagt einer von uns beiden, Ahhhh das ist doch dort, wo…
 
Nur zweimal in Marseille und schon daheim.
 
Mais oui.
 
À bientôt, Susann



Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü