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Dritter Versuch

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 9/9/2016 06:42:00
So; nun aber... Nicht umsonst sagt man ja „Aller guten Dinge sind drei“. Also hoffe ich, dass dieser Blog endlich im dritten Anlauf nicht wieder meiner eigenen Zensur zum Opfer fällt.

Seit ein paar Wochen knoble ich an diesem Blog. Fühle die Worte in mir, doch sie wollen einfach nicht richtig raus. Es gibt vieles, was ich alles gleich auf einmal schreiben will und schon ist der Trichter wieder verstopft. Was rauskäme, wären kleine dünne Vermicellewürmchen, die zwar zum Essen fein sind, aber nicht sättigend wären... Ich will ja nicht in die Oberflächlichkeit abdriften, so mein Credo. Auch so eins übrigens. Und gleich noch ein viel Schöneres: Lasst mich ein wenig mit den Buchstaben austoben. Mal sehen was dabei rauskommt.

Unser Entschleunigungsurlaub mit dem Hausboot auf dem Canal de Nivernais in der Bourgogne war sehr schön. Tat uns beiden gut und ist noch sehr präsent. Lange Wasserstrassen, die wir im Schneckentempo von maximal 8 km/h befuhren. Dutzende Fischreiher, Eisvögel und Fluggänse über den Köpfen. Die vorausspringenden unsichtbaren Fische, für einen Wimpernschlag in schillerndem Silber sich uns zeigend als stete Begleiter. Dutzende Libellen und noch viel mehr Tagpfauenaugen, die sich auf dem Handrücken zu den Sommerfliedern in der nächsten Schleuse chauffieren liessen. Sie alle trugen zur Entschleunigung bei. Auch das Gewitter um Mitternacht auf dem Fluss. Weit und breit kein Haus oder Mensch, ausser uns. Der Alltag schien Lichtjahre entfernt und es gab nur noch Ruhe und Stille.

Schleusen, Seile auswerfen, Boot festmachen und irgendwann ankern. Danach kochen. Gut kochen. Sogar sehr gut. Der Gasherd arbeitete in dieser Zeit viel. Alle vier Platten übrigens. Das Wasser des Flusses löste neue Ideen aus und die sprangen dann in die Pfanne. Doch bitte fragt mich nicht, was ich alles gekocht habe. Ich weiss es nicht mehr. Dennoch jammert Adrian immer noch über seine paar Kilos zu viel. Man sieht sie ihm aber nicht an.

Wir entdeckten kleine französische Städtchen, fühlten uns wohl und zogen trotzdem weiter auf der Wasserstrasse, um eine gefühlte Ewigkeit später das Boot sicher im Hafen abzugeben. Riesige Bereicherung und unbedingte Wiederholung versprachen wir uns gegenseitig. Auch die vielen Liebeserklä­rungen ans französische Essen und den feinen Weinen kamen aus vollstem Herzen.
 
Nun kommt mein ganz persönlicher Ferienhöhepunkt.
Samstag, 16. Juli 2016, 1915h, 6 Rue Luis Véry, 21200 Beaune.
Le Relais de Saulx.
Olivier et Nina Streiff

Freundlich strahlend empfing uns Nina während mir das Herz bis zum Halse schlug und ich dennoch stilsicher auf Französisch unsere Reservation über die Lippen brachte. Sie wies uns einen Tisch mit Blick in die offene Küche zu.

Was mich gleich vom ersten Moment in Bann zog, war die meditative Ruhe, die aus der Küche ins Lokal strömte. Ich fühlte mich vollkommen wohl. Wie in eine warme Decke gehüllt.
Ich zählte sechzehn Stühle, das heisst zwei Vierer- und vier Zweiertische. Solide Holztische, fotografische Portraits von Trauben, dem Algentropfen und der halbierten roten Zwiebel. Ein Bücherregal mit klassischer Literatur, mit warmer Empfehlung des Hausherrns.

An der Wand die grosse Schiefertafel auf der drei Vorspeisen, drei Haupt­speisen, drei Desserts und der l’Assiette de Fromage zu lesen sind. Nina erklärte uns das Prinzip und die Preise. Leicht verdattert schauten wir uns an, erstaunt und erfreut, dass der Gault Millaukoch sein Dreigangmenu und alles in Bio-Dynamischer Lebensmittelqualität für 32 Euro anbietet. Wir lesen ein Weilchen, weil jede Variante einen Höhenflug darstellt und sich alles mit allem wunderbar kombinie­ren lässt. Die Wahl fiel nicht ganz leicht.

Schliesslich entschied ich mich für den Tomaten-Mango-Gurken-Gaspacho zur Vorspeise. Adrian wählte den Lachs Carpaccio mit Fenchelsamen und Fenchelöl. Mein Gaspacho wurde in einem Teller aus Steingut serviert, der mit kleinen roten Rosetten aus Oliviers spektakulären Tomatenmark angereichert ist. Dieses verläuft auf der Zunge und damit entfalten sich die Gewürze wie Oregano, Majoran und Lavendel. Feines Meersalz und Piment nahm ich wahr.

Im Messingpfännchen der gekühlte Gaspacho, den ich selber in den Teller verteilte. In der Farbe meines Lieblings Rot übrigens, dem samtenen Braunrot. In der Nase riecht er nach Gurke, auf der Zunge nach Mango und in der Kehle nach Tomate. Für mich ganz hohe Kochkunst. Dazu knabberte ich an einem salzigen Grissini mit Fenchelsamen und Chiliflöckchen.

Mein Hauptgang bildete Oliviers Zucchetti-Chorizo-Risotto, den man tatsächlich hätte trinken können. Ein Kritiker lobte mal Oliviers Risotto; dass man den trinken könne, weil er so leicht und fliessend ist. Adrian wählte das Lammfilet mit diversen Kräutern und Sommergemüse. Zum Dessert assen wir dasselbe: Pistaziendiplomat mit warmen Aprikosen im Honig und hausgemachtes Lavendelglace.

Nachdem wir das Essen ausgewählt hatten, stellte uns Nina die Weinkarte vor. Adrian fragte sie nach einer Empfehlung und sie zeigte uns etwa 10 passende Rotweine aus diversen nahen Weinbergen rund um Beaune, in Nichtbio-, Bio- oder Demeterqualität. Mein Weinliebhaber wählte erstaunlicherweise einen Demeterwein aus. Lachend meinte sie: Ahhh; der vom Weingut meines Papas, also Oliviers Schwiegervater.

Während wir also dasitzen und sonst eigentlich immer viel miteinander plaudern, schwiegen wir dieses Mal. Versunken in dieser angenehmen Ruhe und gespannter Erwartung. Mein Blick wanderte erneut in die Küche und auf einmal stand er da. Mit dem Rücken zu mir allerdings. Dennoch unverkennbar.

Er sieht aus wie ein Vanillestängel auf zwei Beinen. Gross und schlaksig. Natürlich dressed in Black. Olivier Streiff- der Gothic Koch. Ich kann den Blick nicht von ihm lassen, mit welcher Anmut er mit dem Schwingbesen in einem Messingpfännchen irgendeine Köstlichkeit rührt. Ich kippe fast in Ohnmacht (jaja lacht nur ;-) wie er sich dann umkehrt und hochkonzentriert den Inhalt des Pfännchens in kleine Schälchen verteilt. Ich bin fasziniert über den in seiner inneren Kochwelt versunkenen Menschen, der mit ruhigen und höchst präzisen Bewegungen die Speisen auf die Teller drapiert.

Vorsichtig stellt Nina die wunderbar duftenden Speisen vor uns ab, erklärt was wir geniessen werden und überlässt uns dem Staunen. Aus dem komme ich kaum heraus. Bin begeistert. Das kleine Messingpfännchen scheint ein Zauber­topf zu sein und nie leer zu werden. Der Tag hat hundert Stunden und wir sitzen sicher schon drei Wochen dort. Irgendwann kommt der zweite Gang und auch dieses Schüsselchen wird nie leer. Soll es auch nicht.

Adrian und ich geniessen still und blinzeln uns immer wieder verliebt in die Augen. Ich will nicht mehr weg aus dieser wunderbaren Stimmung. Das Dessert schliesslich lässt mich beinah heulen, weil ich mir wie eine Biene vorkomme, die im Nektar ertrinkt. Ich liebe seit längerem Lavendel. Oliviers Lavendelglace schleudert mich quer durchs Land, direkt in die Provence. Grillenzirpen, gol­dene Gluthitze, blau violette Lavendelfelder, dröhnendes Bienengesumme und ein wenig weiter im Blickfeld das Meer. Mer Méditerranée.

Dieses himmlische Essen genossen und diese wundersame Stimmung erlebt zu haben, fasziniert mich bis heute. Berührt bin ich wie auch die beiden in einer uns gleichen Harmonie einander in die Hände arbeiten. Die gegenseitige Liebe die Arbeit durchdringt und die Gäste daran teilhaftig werden. Auch Oliviers meditative Ruhe steckte unglaublich an.

Mein Fazit gilt immer noch: Nach einer Woche auf dem Hausboot war dies das i-Tüpfelchen der Entschleunigung. Zu Recht nennt man Olivier Streiff in Frankreich Le poète du Goût. Zum Glück liegt Beaune nicht so weit von uns entfernt, der TGV fährt direkt hin. On reviens.

Nun aber haben Adrian und ich unsere Sonntagsküche am Samstag eröffnet und öffnen mit unsern Speisen Fremden ein wenig die Fenster zu unseren Herzen und Seelen. Am vergangenen Samstagabend jedenfalls sprangen die Begeisterungs­funken und unsere Gäste waren allesamt sehr angetan von unserer farbigen schönen Küche.

Während ich den Oregano auf die Teller zupfte und die getrockneten Lavendelblüten zwischen den Fingern verrieb, dankte ich den Göttern, dass ich mit diesen schönen Kräutern Farben und Bilder zeichnen vermag. Jedenfalls reiste ich damit direkt zu Streiffs, um ihnen nochmals zu danken für diesen Höhepunkt in meinem Leben. Dann zog es mich weiter hinab, direkt nach Marseille, wo ich Hand in Hand mit Adrian am Vieux Port stillversunken den Wellen lauschte. Dem ewigen Rhythmus von Kommen und Gehen.

A bientôt, Susann



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