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Un ange a ma table

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 8/5/2016 21:20:00
Un ange à ma table
Zugegeben dies ist der Titel eins meiner Lieblingslieder von Indochine. Am liebsten natürlich die Liveversion aus dem SDF am26. Juni 2010 in Paris. 80000 Fans tanzend und mitsingend. Es soll aber jetzt nicht über meine eine Lieblingsband gehen, sondern einmal mehr um ein Lebensgefühl. Nämlich dem der Vorfreude.
Die bricht bei mir nämlich jedes Mal aus, wenn ich dieses Lied höre. Geistig sitze ich da nämlich immer im TGV und fahre Paris entgegen.
Oder Marseille.
Genau! Dorthin gehen Adrian und ich schon bald.
Fünf Tage lang Marseille.
Ahhh; C’est le Paradise.
Nun also stellen wir die Stadt zum zweiten Mal auf den Kopf, wahrscheinlich eher umgekehrt.
Ich fühle schon jetzt das nervöse Pulsieren in meinen Venen, wenn der TGV endlich nach Aix-en-Provence, dem letzten Stopp vor Marseille, zum Schlussspurt ansetzt und weiterrast.
Fühle wie das Meer bereits nach mir ruft. Blicke sehnsüchtig aus dem Zugfenster, um ja den Moment nicht zu verpassen, wenn er dann endlich Saint Charles erreicht. Steige aus und werde von einer warmen Woge umarmt.
Einer Umarmung, welche mir die warme Luft und das Meer zur Begrüssung schenkt. Mein Blick verschwindet im Nirgendwo; in der Ferne glitzern das Mittelmeer und der Horizont, beide blau. Beides sieht man nämlich vom Bahnhof aus, denn Marseille ist ziemlich hügelig. Wir müssen also hinab, wenn wir in die Stadt wollen.
Dort irgendwo in diesem Wirrwarr aus Strässchen, Gassen und Hauptstrassen werden wir unser Hotel finden. Irgendwo zwischen den Quartiers Noailles und Le Panier liegt es. Ich freue mich jetzt schon meinen Koffer hinter mir her zu ziehen und alle Eindrücke, die ich während dem Fussmarsch zum Hotel sammle, gierig aufzusaugen.
Einzusaugen diese Stadt, die in mir das Meer, die warmen südlichen Kochgerüche und somit Sehnsüchte auslöst. Dem raschen Französisch der Marseiller zu folgen, um in noch leicht gehemmten Brocken Französisch am Vieux Port den ersten Crème oder Kir zu bestellen. Je nach Ankunftszeit.
 
Ich freue mich jetzt schon auf die vielen kleinen Geschäfte, von denen ich mir wünsche, eines wäre mit Le Produits d’Homeparadize angeschrieben. Das wäre nämlich unser eigenes. Dort stünden in kleinen Gläsern unsere Confits, die in einem milden Essig eingelegten Gemüse und verschiedene Terrinen direkt neben dem selbstgemachten Ziegenkäse. Natürlich würde die ausgesuchte Sammlung von diversen Salzen nicht fehlen. Ebenso die Kräutermischungen in allen Gustos. Drei kleine Bistrotische mit 6 Stühlen, im Büchereck mit der ausgewählten kleinen Bibliothek, fabulierende Gäste. Unsere Gäste. Wir servieren eine kleine aber feine Karte mit unsern diversen Spezialitäten. Guter Wein darf nicht fehlen, ob rot oder weiss, ebenso wenig wie Marseiller Bier.
Die typischen Marseiller Seifen brauchten wir nicht selber zu verkaufen, denn die starken Düfte bringt sowieso der Wind vom Geschäft zwei Häuser nebenan rüber. Laut das Geschrei der Möven wenn früh morgens oder spät nachmittags die Fischkutter am Vieux Port anlegen und die Marseiller mit dem Einkaufen beginnen. Ein paar Stunden später bereitet sich eine feine Wolke über Stadt aus; in Olivenöl gedünsteten Rotbarben, Dorades und andern Meerfischen. Es riecht nach Plats du mer, Risotto noir, Knoblauch in Olivenöl und Bouillabaisse.
Wahrscheinlich werde ich dieses Jahr mal endlich eine essen. Dazu einen schweren und dunklen Rotwein aus Bandol trinken und mich im Paradies fühlen. Auch weil visàvis am Tisch mein geliebter Mann sitzt und wir zusammen diese schönen Momente erleben. Sind wir also zurück an den Ursprung dieses Blogs gekehrt mit dem Titel: Un Ange à mon Table.
 
Aber noch nicht am Ende des Blogs. Es geht ja um die Vorfreude.
Ich hatte vorhin schön Zeit meine seit vergangener Woche angeschwollene Vorfreude endlich auszuleben. Noch eine andere.
Vor ein paar Tagen las ich das Rezept Fave alla poverella von Claudio di Principe, Kochbuchautor und einer meiner Lieblings-Kochblogger( Anonyme Köche). Wie ihr wisst lese ich Rezepte sehr gerne. Finde alles toll und spannend, aber in der Praxis kann ich mich einfach nicht an deren Umsetzung halten. Als Einkaufszettel klar und praktisch, in der Ideenküche unverzichtbar. Aber sie werden nie so, wie sie jemand geschrieben hat. Am Schluss wird immer irgendein „Meins“ draus. Eine meiner Eigenarten oder Freiheiten, wie mans nimmt. Anyway beim Lesen seines Rezepts begann mir bereits das Wasser im Mund zusammenzulaufen.
Er schreibt, dass sie nun endlich auf dem Markt seien, die ganz jungen, grünen Böhnchen aus Italien. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass die mir komplett unbekannt waren. Erst wie ich dann Fave gegoogelt hatte, erfuhr ich, dass dies „unsere“ Saubohnen sind. Mit meinem Bauchgefühl, dass die nicht beim Grossisten zu finden sind, lag ich richtig und fand sie erfolgreich im Alimentari Italiani.
 
Ein warmes Ciao zwischen der Ladenbesitzerin und mir und ich fühlte mich wie damals in der Cinque Terre auf dem Markt. Ich spreche zwar kein Wort Italienisch behaupte ich bis heute, doch beim Einkaufen oder in der Pasticceria fabuliere ich munter drauf los.
Jedenfalls kaufte ich heute Mittag glücklich mein erstes Kilo Fave, eine Schote Peperoncini, frischen Pfefferminz und Knoblauch, ein Sack Trafilatura al Bronzo (grosse dicke Pastaröhren) und ein grosses Stück Pecorino Cosu, den Rezenten der Pecorino Sardo’s. Das alles sollen mein Sohn und ich nun abends essen. Er ist mal wieder mein Testesser und geht in dieser Rolle komplett auf; was bedeutet; er geniesst es.
Mit den Faves hatte ich nun zwei Stunden Vollprogramm. Tatsächlich stellte ich mich ein wenig unbeholfen an, weil noch nie damit gekocht noch sonst verwendet.
Die Schoten sind sehr fleischig und mindestens 15cm lang. Sie mit dem Messer zu rüsten war für mich von Anfang ein NoGo; sie lassen sich nämlich mit ein klein wenig Fingernagel sehr gut öffnen. Aus der Schote gepult purzeln dann meist um die 5-6 kleinere Bohnen heraus.
Irritierend fand ich allerdings das Schlammgrün, der im Salzwasser während 10 Minuten lang zu siedenden Bohnen. Komplett gegenteilig zu den Grasgrünen auf Claudios Bild. Irgendwann kam mir die glorreiche Idee mal in eine zu beissen. Die Haut war zäh. Leichter Zweifel an der Begeisterung für das Rezept trat auf, doch während dem Kauen entdeckte ich plötzlich die Veränderung des Genusserlebnisses. Hrrmm; die „wahren Bohnen“ mussten erst befreit werden.
Ich pulte also nochmals eine Stunde lang. Das Ergebnis: Erbsengrüne kleine GÖTTLICHE Böhnchen. Die wurden dann mit dem Gemisch aus dem geriebenen Käse, frischen Pfefferminz, Zitronensaft, Pecorino, Peperoncini, Semmelbrösel, Salz und viel gutem Olivenöl vermengt. Seit etwa drei Stunden riecht es in meiner Küche wie am südlichsten Zipfel in Apulien. Das Haus direkt am Meer mit dem Garten nach hinten.
Während meine Hände fröhlich vor sich her gearbeitet hatten, flog mein Geist nach dieser kleinen Reise zurück nach Marseille. Und damit zu den mich demnächst in der Realität in Wonne versetzenden Kochdüfte aus dem warmen Süden.
Hier trocknet die milde Abendsonne gerade die von erneuten Regengüssen durchnässte Terrasse und in Marseille scheint die Sonne bei 23 Grad mit Windboen aus Nordwest von 69 km/h.
Es scheint mir für einen klitzekleinen Moment grad so, als hätte mich dieser Wind von hier weggerissen und ich schwebte schon über der Stadt am Meer.
In mir drin herrscht unbändige Vorfreude.
Nur noch 10 Tage bis Marseille…
 
A bientôt, Susann
 
3.5.2016
 



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