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Ascheregen und amerikanische Weltansichten

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 28/3/2016 19:11:00
„Am Anfang war das Feuer“ oder auch nicht. Meine Beziehung zur Verwendung des Feuers zum Kochen ist durchaus ambivalent und begleitet von diversen Traumas.

Diese reichen zurück in die Kindheitstage. Auf den Schulausflügen in der Primarschule gab es in meiner Klasse glücklicherweise ein paar geschickte Pfadfinder, welche nicht nur in der Lage waren, im Wald passendes Holz zu finden sondern auch daraus innert kürzester Zeit ein Feuer zu entfachen. Hätte man diese Verantwortung damals mir übertragen, so würde meine Klasse wohl heute noch mit kalten Cervelats um ein kläglich rauchendes Häufchen Äste sitzen und auf die Glut warten….

Damals herrschte auch in den Küchen noch die traditionelle Rollenteilung. Eine der seltenen Ausnahmen war das Grillen. Dies war gefährlich und ergo Männersache und wurde bevorzugt an Sonntagen oder bei Einladungen vorgeführt. Die Hausfrauen bereiteten stundenlang Gemüse, Marinaden sowie aufwändige Beilagen, Vorspeisen und Desserts zu. Der gesamte Verdienst für das tolle Essen gebührte jedoch stets dem Hausherrn, welcher fachmännisch im Schweisse seines Angesichts die Glut im Grill entfachte und das Steak zweimal drauf wendete ohne es zu verbrennen. Ehre wem Ehre gebührt.

Einige Jahre später zog ich mit meiner damaligen Freundin in die erste gemeinsame Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses. Diese hatte einen grossen Balkon, weshalb wir uns den ersten Kugelgrill anschafften. Da wir beide wohlbehütet in Einfamilienhäusern aufgewachsen waren, verschwanden wir keine Gedanken auf die Wechselwirkung von Grillen und Nachbarn. Diese sollten wir jedoch bald kennenlernen.
Wie bereits erwähnt, zählt das elegante Entfachen eines Feuers nicht zu meinen Kernkompetenzen. Dementsprechend war das Grillen anfänglich mit etwas Rauch verbunden. Glücklicherweise wehte ein guter Westwind, welcher diesen von unserem Balkon wegzog. Die Folge war jedoch ein ostentativer kollektiver Asthma-Anfall begleitet von Fuss-Stampfen und Fenster zu knallen vom Nachbarsbalkon. Wir entschuldigten uns freundlich am nächsten Tag und erklärten dies mit Anfänger-Pech.

Die Woche darauf war ich bemüht, es besser zu machen. Dem damaligen Zeitgeist und einem Zeitungsartikel aus dem „wir Brückenbauer“ folgend, wollte ich die indirekte Grillmethode anwenden. Zwecks Vermeidung unnötigen Rauchs liess ich während des Anfeuerns den Deckel auf dem Kugelgrill. Die genaueren physikalisch-chemischen Vorgänge, die sich in den folgenden Minuten abgespielt haben müssen, sind mir bis heute unklar. Als ich jedenfalls nach einer Viertelstunde den Deckel hob, schoss eine meterhohe Stichflamme heraus und eine Wolke mit grossen Aschenteilchen entwich schlagartig in Richtung Nachbarbalkon.

Die Folge waren ein paar schwarze Kringel an der Decke unseres Balkons und ein ausgedehntes „Hueregopferdammisiechnomol“ und ein Zuknallen der Fenster und Türen unmittelbar gefolgt vom Klingeln an unserer Haustüre. Davor stand unser Nachbar dessen Gesichtsfarbe und pulsierenden Stirnadern auf eine ungesunde Erhöhung des Blutdrucks hinzuweisen schienen. Bevor ich ihn auf die gesundheitsfördernden Vorteile einer salzarmen Diät hinweisen konnte, legte dieser los.

Offenbar malte er in seiner Freizeit Ölbilder und tat dies im Sommer auf dem Balkon. Sein aktuellstes Werk – ich hatte in der allgemeinen Aufregung vergessen, nach dessen Titel zu fragen – war beinahe fertig gewesen, als von unserem Balkon eine Wolke voller Ascheteilchen angeflogen kam, welche sich auf dem noch feuchten Bild festsetzten. Im Interesse der gutnachbarschaftlichen Beziehung unterliess ich den Hinweis, dass dies dem Bild ja durchaus eine stilistische Eigenheit geben konnte, welche andere Künstler nicht ohne weiteres kopieren könnten. Damit war diese Grill-Phase beendet.

Einige Jahre später erworben wir dann unser Einfamilienhäuschen und ich unternahm den nächsten Grillversuch. Im Garten stand ein Grillhäuschen aus den 50er Jahren. Dies hatte durchaus einen gewissen Charme, jedoch diverse technische Unzulänglichkeiten. Anfangs habe ich darin gelegentlich gegrillt, war aber mit den Ergebnissen regelmässig unzufrieden. Aufgrund der fehlenden Einstellungsmöglichkeiten war ich zwar halbwegs in der Lage eine Wurst zu grillen, nicht aber ein gutes Stück Fleisch punktgenau auf die richtige Kerntemperatur, geschweige denn diesen Prozess mit dem Zeitpunkt des Essens zu synchronisieren: entweder war die beste Glut eine halbe Stunde bevor wir essen wollten oder aber wir sassen hungrig neben dem Grill und warteten, bis das Zeugs endlich aussen verbrannt und innen roh war.

Diesen Frühling war es jedoch wieder soweit und ich wollte nochmals einen Versuch wagen. Von guten Freunden schlecht beraten habe ich zuerst die Anschaffung eines Gasgrills erwogen. Rational-objektiv sind diese unbestreitbar den Holzkohlegrills überlegen. Aber Spass und Freude im Leben gründet eben nicht auf Vernunft sondern auf Emotionen. Aus diesem Grund fahre ich auch mit Lederkleidung Motorrad, obwohl die Goretex-Textiljacken funktionaler und sicherer sind. Dementsprechend leide ich auch gelegentlich darunter, dass mein 911er einen Allradantrieb hat, weil eigentlich ein reiner Sportwagen einen Hinterradantrieb haben sollte.

Anfangs Woche habe ich mir nun einen Holzkohle-Kugelgrill eines renommierten amerikanischen Herstellers gekauft. Allerdings beschlichen mich erste Zweifel an dessen Renommee als ich die Gebrauchsanweisung las. Der Inhalt bestand im Wesentlichen aus Warnungen, die mich in Grossbuchstaben anbrüllten. Ich fragte mich ernsthaft, was für ein Menschenbild ein amerikanischer Verfasser von Gebrauchsanweisungen haben muss: ICH würde mich jedenfalls nicht mehr aus dem Haus getrauen, wenn ich davon ausgehen würde, meine Mitmenschen seien alle derart debil.

Das Highlight der Gebrauchsanweisung war allerdings dessen Titelseite. Als allererster Satz stand dort „Entsorgen Sie den Grill nicht“! Kommt es denn in Amerika regelmässig vor, dass Leute für ein paar Hundert Franken einen Grill kaufen, um diesen umgehend mit einer Abfall-Vignette versehen der Kehrrichtabfuhr mitzugeben? Klärung brachte die Lektüre des englischen Originaltexts, der schlicht lautete „Do not discard“, was sich allerdings auf die Gebrauchsanwei­sung und nicht den Grill bezog…

Das erste Schweinskotelett auf dem neuen Grill war ein Hochgenuss, aber vielleicht auch nur Anfängerglück. Ich werde euch gerne im Herbst berichten, ob der diesmalige Grillversuch nun nachhaltig erfolgreich war, oder ob man auf ebay einen wenig gebrauchten Kugelgrill günstig erstehen kann.

Liebe Grüsse, Adrian



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