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Kapselkaffee und Stinkbomben

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 8/11/2015 11:18:00
Gerüche nehmen uns mit auf Reisen. Dies kann wie in Susanns Blogs in ferne Länder sein, oder aber auch zurück in die Kindheit.

Eine meiner Erinnerungen ist etwa der penetrante Geruch von faulen Eiern, welcher in Schwaden durchs Schulhaus zog, wenn mal wieder in der Primarschule ein Fünftklässler eine Stinkbombe in das Zimmer der Erstklässler geworfen hatte. Heute sind diese Scherzartikel wegen der Verletzungsgefahr durch Glassplitter verboten.

Sehr gut kann ich mich auch noch an den würzig-metallischen Geruch erinnern, der eine Batterie „Frauenfürze“ angezündet in Nachbars Briefkasten verbreitet hatte. Aber auch dies gehört der Vergangenheit an: die Produktbezeichnung ist nicht mehr politisch korrekt und das Knallen nicht mehr im Einklang mit den Gehörschutznormen. Letzteres Schicksal ereilte auch die Munition für die Käpseli-Pistolen, welche dieser Tage eher das metallische Abzugsgeräusch dämpfen als Eltern und Tanten erschrecken.

Es scheint lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis der Gesetzgeber zu unserem Selbstschutz auch Wein und Pommes Chips verbieten werden, weil wir unseren Lebern allenfalls durch deren Verzehr Schaden zufügen könnten. Würde Paracelsus heute leben, so würde ihm wohl die EU Bürgerschaft wegen Verbreitung von Irrlehren aberkannt. Aber zum Glück kommt jetzt bald die kalte Jahreszeit und ich werde einen der langen, dunklen Winterabende nutzen, um mal die Gesetzessammlungen nach den Begriffen „Augenmass“ und „Selbstverantwortung“ zu durchsuchen – dies könnte länger dauern…

Während diese Gerüche somit wohl für immer in der Vergangenheit bleiben, so habe ich zumindest neulich EINEN Geruch wieder re-aktivieren können. Dies ist der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee.

In meiner Kindheit war es üblich, dass man im Supermarkt den Kaffee in Bohnen kaufte. Nach der Kasse befand sich auf einem separaten Tisch eine Mühle, welche in Form und Grösse an R2-D2 aus Star Wars erinnerte. Das Gerät machte einen Lärm, bei dem heute die Besitzer von Laubbläsern vor Neid erblassen würden und dessen Benutzung nach heutiger Gesetzgebung wohl nur mit doppeltem Gehörschutz (Ohropax plus PAMIR) zulässig und für Kinder unter 16 Jahren zwecks Vermeidung von Langzeitschäden generell verboten wäre, zumindest solange keine wissenschaftliche Doppel-Blindstudie nicht das Gegenteil bewiesen hat.

Ich erinnere mich noch gut, wie mir die Bedienung dieser Kaffeemühle als Kind grossen Spass bereitet hatte. Es brauchte nämlich einiges Fingerspitzengefühl um den frei-schwebenden Kaffeebeutel unten an der Maschine zu fixieren, damit dieser nicht mitten im Mahlvorgang runter und der ganze Inhalt auf den Boden fiel. Zudem durfte man nicht vergessen den Mahl Grad richtig einzustellen ansonsten der Kaffee zu Hause entweder wässrig wurde oder die Filtertüten verstopfte. Und dann der Lärm und der Geruch: einzigartig!

Dieses Erlebnis hat mir in der Welt der lustig bunten Kaffeekapseln gefehlt. Ich hatte rund 10 Jahre eine Kapsel-Kaffeemaschine und konnte mich nicht über die Qualität des Kaffees beklagen. Mir missfiel aber zusehend die technische Sterilität, welche nichts mehr mit einem LEBENS-Mittel zu tun hatte. Die Verabschiedung von der Welt der Kaffeekapseln wurde mir durch die Marketing-Abteilungen der betreffenden Firmen erleichtert. Statt Arabica negro oder Robusta africa gab es nun „Grand Crus“ und „Limited Editions“ mit exotischen Namen, die normalerweise Badesalze oder Duschmittel zieren. In Anlehnung an die Wein-Experten wurde nun auch bei den Kaffeekapseln der Geruch angesengter Backhandschuhe als „kräftige Röstnoten“ angepriesen und wässriger Kaffee als „elegante Leichtigkeit“ schön geredet.

Ausgestattet mit gesundem Selbstbewusstsein fing ich bei der Suche nach Alternativen zunächst beim top end der Siebträgermaschinen an. Bald realisierte ich aber, dass mit diesen Geräten die Herstellung eines Kaffees komplizierter als das Ausfüllen der Steuererklärung ist. Die Wassertemperatur muss exakt zwischen 93 und 95 Grad Celsius sein und der Mahl Grad der Bohnen, die Dosierung des Pulvers und der Andruck des Kaffees im Sieb müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein, ansonsten der Kaffee nicht schmeckt. Ich fand dies alles hoch interessant und notierte mir dies auf meine geistige „to do Liste“ für nach der Pensionierung.

Für das hier und heute entschied ich mich jedoch für einen sogenannten Vollautomaten mit eingebauter Mühle und einem externen Milchbehälter. Mit letzterem lassen sich ausgezeichnete Cappucinos auf einfachste Weise zubereiten. Die Reinigung ist nicht aufwändiger als bei einer Kapselmaschine und das Aufschäumen der Milch ist nicht zu vergleichen mit den früheren Milchschaumdüsen, welche zumindest bei mir regelmässig nicht funktionierten und einen unverhältnismässigen Reinigungsaufwand verursachten.

Befreit von der Kapsel hat sich mir eine neue Kaffeewelt eröffnet, die sich mit dem Entdecken der Weinwelt vergleichen lässt. Wie bei den Reben hat auch hier jede Bohnensorte ihren eigenen Geschmack und die gleiche Sorte schmeckt unterschiedlich, wenn sie an einem anderen Ort unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen angebaut wurde. Ebenfalls hat man die Wahl zwischen sortenreinem Kaffee, in welchem die typischen Eigenschaften der Bohne stärker hervortreten, oder einer assemblage, in welcher aus verschiedenen Bohnen eine harmonische Mischung mit abgerundetem Geschmack geschaffen wird. Beides hat seinen Reiz. Ähnlich wie beim Wein der Ausbau in der Barrique eine ganz andere Note verleiht, so ergeben unterschiedliche Röstungen dem Kaffee ganz unterschiedliche Geschmacksnoten.

Ich bin erst am Anfang meiner Kaffee-Entdeckungsreise, die mir aber viel Freude bereitet. So habe ich mir bereits zur Angewohnheit gemacht, bei der Vorbereitung von Reisen nicht nur die 2nd Hand Plattenläden sondern auch die Kaffee-fachgeschäfte herauszusuchen. Eine gute Adresse ist etwa in Marseille das Maison Debout (46 rue Francis Davso) oder in Freiburg im Breisgau Tee Peter Kaffee (Schusterstrasse 17).

Liebe Grüsse, Adrian 



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