Aromat: Das Offiziersmesser unter den Gewürzen - Homeparadize - Homeparadize

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Aromat: Das Offiziersmesser unter den Gewürzen

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 29/11/2015 21:05:00
Im letzten Blog lobte ich die Vielfalt. Diese hat allerdings auch Schattenseiten und verstellt manchmal den Blick auf das Wesentliche. Dies ist etwa der Fall im Bereich der Gedenk- und Jubiläumstage und –jahre.

Obwohl sich 2015 bereits zu Ende neigt ist, es wohl an einem Grossteil der Bevölkerung relativ unbemerkt vorübergegangen, dass dieses von der UNO zum Jahr des Lichts und der Böden erklärt würde. Dies liegt wohl daran, dass bei der Themenauswahl politisch korrekt vorgegangen wurde und kontroverse Themen aussen vor gelassen wurden. Ich denke der UNO wäre mehr Aufmerksamkeit zu Teil geworden, falls sie 2015 stattdessen zum Jahr der Dunkelheit und der Blöden erklärt hätte.

Ebenso wenig erbaulich ist die Liste der offiziellen UNO Gedenktage, welche von Gutmenschentum triefen: Diese reicht vom Welttag der Aufklärung über den Albinismus (13.6.), den internationalen Tag des Sports im Dienste von Entwicklung und Frieden (6.4.) über den Welttoilettentag (19.11.) bis hin zum Tag der Handhygiene (5.5.). Warum letzterer nicht näher beim Toilettentag ist, wissen wohl nur die zuständigen Beamten (deren Welttag übrigens am 23.6. ist).

Dieses Jahr erinnerten wir uns an grosse historische Ereignisse wie die Schlachten bei Marignano, Morgarten oder das Ende des zweiten Weltkriegs. Letztes Jahr war der Beginn des ersten Weltkriegs in allen Medien präsent. Im 2013 wurde jedoch völlig zu Unrecht in der Berichterstattung über Ereignisse der Weltgeschichte das sechzig jährige Jubiläum der Erfindung des Aromats – der Allzweckwaffe auf dem schweizerischen Esstisch - ignoriert!
Dieser Meilenstein der Kulinarik wurde wie auch Stocki kurz nach dem zweiten Weltkrieg in der schweizerischen Zweigniederlassung des deutschen Knorr Konzerns erfunden. Dies geschah im Bemühen, aus dem Schatten des Mutterhauses herauszutreten. Aus heutiger Sicht ein durchaus bemerkenswerter Vorgang. Ich denke in der Zentrale in Wolfsburg wäre heute die Überraschung beträchtlich, wenn VW Schweiz dieser Tage die Lancierung eines neuen Auto Modells ankünden würde…

Es ist kein Zufall, dass das Offiziersmesser unter den Gewürzen in der Schweiz erfunden wurde. Denn das Aromat steht sinnbildlich für die Kultur des Kompromisses und des Ausgleichs. „Gutschweizerische“ Lösungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie für alle passen, aber für niemanden die beste Lösung sind.

Dadurch unterscheidet sich der Schweizer auch in der Küche von den umliegenden Ländern, zu deren Küchen-Spezialitäten stets eine Prise Extremismus gehört. In der italienischen Küche findet sich etwa das Parmesanmesser, welches sich für wenige andere Tätigkeiten eignet. Am ehesten könnte es noch als Hilfsmittel verwendet werden, falls man beim Eistauchen das Ausstiegsloch nicht mehr findet.

In der französischen Küche finden sich ebenfalls Spezialitäten, auf welche die Welt nicht unbedingt gewartet hat. So servieren etwa die Franzosen ihren Gästen in ihrer unnachahmlichen Mischung aus Arroganz und Ignoranz Tiere als Spezialitäten, welche hierzulande in den Schrebergärten im Salatbeet mit Hingabe bekämpft werden oder Innereien, die bei uns selbst fein gehackt in der Cervelat nicht erwünscht wären.

Das Aromat hat allerdings in der heutigen Küche selbst in der Schweiz einen schweren Stand und ist verpönt als „Single-Männer-Haushaltsgewürz“. In der vertraulichen Umgebung des Beichtstuhls oder des Wiederholungskurses der schweizerischen Armee hört man häufig, dass es eines der einschneidensten Tage im Leben junger Männer war, wenn in der ersten gemeinsamen Wohnung die Freundin in der Küche das Aromat durch Fleur de Sel, Himalaya-Salz, Aceto balsamico, kaltgepresstes Olivenöl und anderen chi-chi ersetzt hatte.

Als Kind liebte ich Blevita Kekse mit viel Butter und noch mehr Aromat als Zwischenmahlzeit. Heute verwende ich dieses allerdings relativ selten. Eine der wesentlichen Eigenschaften des Aromats ist, dass es den Eigengeschmack der Lebensmittel komplett überdeckt. Dafür bin ich in Kantinen oder Restaurants manchmal äusserst dankbar, nicht aber wenn ich selber koche. Dort würze ich meistens nur mit Salz und Pfeffer sowie zwei, drei Kräutern mit prägnantem Geschmack wie etwa Rosmarin, Basilikum oder Thymian.

Dies tue ich allerdings völlig wertneutral gegenüber dem Aromat und lediglich weil mir persönlich die Schlichtheit und Erkennbarkeit der einzelnen Aromen wichtig ist. Ich habe nichts dagegen, wenn einer meiner Gäste sein Not-Aromat aus der Hosentasche zieht und damit nachwürzt: de gustibus non est disputandum!

Liebe Grüsse und bis bald, Adrian
 



Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü