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White Linen

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 14/8/2016 15:59:00
Für unsere Sonntagsküche haben wir den Anspruch nicht nur ausgezeichnet zu kochen sondern auch den Tisch schön zu decken. Natürlich tun wir dies auch für uns selber oder wenn unsere Freunde mitessen. Aber für „fremde“ Gäste ist es gleich nochmal was anderes. Der Blick in den Schrank zeigte umgehend, dass wir zwar jederlei schöne Tischwäsche haben, jedoch nicht für den ausgezogenen 1,20 x 220cm langen Tisch. Vor vierunddreissig Jahren lernte ich den Beruf der Textilverkäuferin, Spezialgebiet Tischwäsche und so erwachte eine alte Liebe.

Damals lernte ich die Unterschiede der diversen Stiche und Stickereien auf Leinen, Halbleinen und Baumwolle kennen. Wusste, mit welchen Materialien die Klöppelspitzen, Guipurespitze, Hohlsäume gestickt bzw. hergestellt werden. Mich beeindruckte am Meisten die Handfertigkeit der Appenzeller Bauern­frauen, die in ihrer eher kargen Freizeit feinstes Leinen- oder Organzagespinnst mit zarten Stichen bestickten. Die Ornamente der Guipurespitze und deren spezielle Machart fasziniert mich bis heute. Allerdings konnte ich mir damals nicht vorstellen, dass mich dies nach vierunddreissig Jahren wieder neu begeistern könnte. Zudem lagen diese schönen Stücke fernab meines damaligen Lehrlingslohnes, als dass ich sie jemals meiner Mutter als Weihnachtsgeschenk hätte schenken können. Und fürs Sparen für die Aussteuer war ich eine Generation zu jung. Neuwertig liegen sie leider bis heute jenseits meiner finanziellen Machbarkeit, denn Leinen mit Handstickerei gehört zu den Luxusgütern; dies zu Recht, denn sie sind WUNDERSCHÖN.

Wie ich im vergangenen Winter den Haushalt meiner Mutter auflöste, hoffte ich vergeblich auf solch schöne Trouvallien. Ich fand zwar jede Menge weisse Leinenservietten von meiner Grossmutter und allerhand anderes, aber leider keine Tischdecken aus Leinen. Aber zum Glück gibt’s die Brocki.

Ich erinnerte ich mich nämlich, dass ich mal dort aus dem Augenwinkel Tischwäsche gesehen hatte. Gestern und heute suchte ich nun meine Lieblingsbrockenstube auf und wurde fündig. Gekauft, gewaschen und wenige Stunden später trocknen die drei frisch gewaschenen blüten-weissen und passend-grossen Leinentischtücher an der Wäscheleine. Eines davon hat eine Klöppelspitze, das andere einen Hohlsaum, das Dritte ist „ganz schlicht“. Nun muss ich sie nur noch durch die Mangel ziehen, dann sind sie für unsere Sonntagsküche im September bereit.
Als ich die Tischtücher vorhin zusammenlegte malte ich mir aus, wie viele Essende wohl zuvor an dieser schönen Tischwäsche Freude gehabt hatten. Wer was damals vor vielen Jahrzehnten darauf gegessen hatte. Denn es sind wirklich alte Tischtücher, die schon unsere Grossmütter gehabt haben müssen. Ich stellte mir vor, wie wohl meine eigene Grossmutter gekocht hat.

Auf einmal fühlte ich einen ganz zarten Duft eines Kalbsragouts mit Lorbeer in meiner Nase aufsteigen und natürlich den passenden Kartoffelstock. Vielleicht war sie ja so mutig wie ich und rieb eine Knoblauchzehe dazu. Vielleicht aber bin ich so mutig wie sie, weil sie darin Pionierin war und ich ja von irgendwoher dieses Koch-Gen haben muss;-) Ich weiss es aber nicht, weil ich sie nur meine ersten zwei Lebensjahre gekannt hatte; somit gar nicht.

Jedenfalls ging mein Traum weiter und ich sah das Rotkraut in einer Schüssel dampfen. Dieses himmlische Rotkraut, das unsere Männer im Txoko mal gekocht haben. Fragt mich nicht, weshalb ich ausgerechnet am 10. August von einem solch deftigen Winteressen träume. Vielleicht aber hat es mit der draussen herrschenden wenig sommerlichen Temperatur von 17,1 Grad zu tun. Oder eben mit der Leinentischwäsche. Sie betreibt nämlich eine ganz besondere Magie mit mir.

Adrian hat mit grosser Liebe und sehr fundiertem Knowhow die Absinthekarte auf www.sonntagskueche.ch zusammengestellt. Er weiss sehr viel über die Herstellung, Zubereitung, Verbreitung, Distillerien usw usf. Dies ist zwar auch spannend für mich, doch nicht ganz mein Thema. Meine Fantasie kommt ins Rollen bei der Verbindung des Absinthes zur Belle Epoque, dem damaligen Zeitgeist und den damit verbundenen Geschichten. Vor allem die Werbeplakate, die Flaschen­etiketten und vor allem die Mythen interessieren mich.

Doch darauf möchte ich heute nicht näher eingehen, sondern auf die Vorstellung, dass auf vielen dieser weissen Leinentischdecken sicher auch der eine oder andere Absinthebrunnen gestanden ist. Menschen am Tisch versammelt, auf ein Glas dazu eingefunden und einander zuprostend. Die Köchin die dampfenden Schüsseln in die Mitte auf den Tisch stellend. Aus dem Grammophon, in Mono und mit knarzender Nadel Debussys Claire de lune. Novembernebel und heisse Kürbissuppe. Absinthe und Rotwein. Die Dame des Hauses im dunkelbraunen Leinenkleid mit dem hellblauen Kragen und den Ärmeln aus Guipurespitze. Der Hausherr im Aubergine farbenen langen Kittel aus Chintz. Die Westminster Standuhr, die Stunde schlagend und vor dem Kamin der schlafende Dackel…

Solches ging mir beim Wäscheaufhängen durch den Kopf. Mächtige Freude durchflutet mich, dass wir mit solch schöner Tischwäsche für die Sonntagsküche den Tisch decken verbunden mit wunderbarem Essen und Getränken, welche alle Dankbarkeit und Freude ausdrücken.

Dankbarkeit, dass Adrian und ich, wir beide also, das Geschenk der Kreativität mitbekommen haben und diese auch übers Kochen ausleben. In allen leuchtenden Farben der ganzen Gemüse- und Früchtepalette, den Fischen und dem Fleisch, dem Brot und den Desserts soll sich unsere Freude auf den Tellern spiegeln.

Lasst euch überraschen; nicht nur der Absinthebrunnen sondern auch den der eigenen Kreativität sprudelt munter weiter.
 
À bientôt, Susann
 
 



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