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Vanillaroasted Coffee oder der East River liegt gleich dahinter

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 29/11/2015 21:03:00
In der Dunkelheit des heutigen Morgens fuhr ich in die Stadt zur Arbeit. Ich kam den Hügel hinab und mein Blick fiel auf den hell erleuchteten neuen Tower eines Basler Pharmakonzerns und damit wurde eine Erinnerung wach.

Vor exakt fünf Jahren war ich eben erst ein paar Tage von NYC zurück. Zehn lange Kurzgeschichten zur Verarbeitung meiner Eindrücke und zum Teil realen Erlebnissen prägen bis heute meine Erinnerungen. Eine davon ist der Vanillaroasted Coffee. Ihn trank ich täglich in unserm selbsternannten Hauscafé an der 34. West, Ecke 5th Avenue.

Sass dort mit meinen Kindern am Fenster und blickte hinaus auf die Welt, die an mir vorbeilief: Fasziniert über die Vielfalt der Menschen spekulier­te ich über deren eigentlichen Herkunftsländer und ihre Geschichten, die sie wohl mitbringen. Der Vanillaroasted Coffee unterstützte meine Bilder und hallte in starken Geschichten wider.

Glücklich testete ich ein paar Jahre später im Nespresso Shop den Vanillecafé. Doch welch Enttäuschung! Dieser vermochte keinerlei Bilder in mir auszulösen. Ich trank die Tasse leer, genauso leer blieb aber auch meine Innenwelt.

Andere Gerüche jedoch, wie zB die der frisch kleingeschnittenen roten Zwiebel in Olivenöl angebraten, katapultieren mich umgehend nach Marseille. Auch ein Ort an dem viele Kulturen zusammenlaufen. Ich mag solche Orte, wo zu den eigentlichen Geschichten noch weitere wachsen. In einem andern Blog gab ich bereits einen kleinen Einblick meiner „Reiseimpressionen“ über den Duft von Tee und Kaffee. Daran will ich aber nicht anknüpfen.
Sondern an die Leere, die mich die letzten Wochen umgab.

Meine Mutter war lebensbedrohlich krank. Täglich sass ich an ihrem Krankenbett auf der Intensivstation und hatte viel Zeit fürs Denken. Doch war es nicht kreatives Denken. Es waren Sorgen um sie. Hoffen und Bangen und vieles mehr.

Ich durchlebte eine ähnlich schreckliche Zeit, wie damals, als ich meinen Geruchssinn verloren hatte. Nun war ich dabei meine Kreativität zu verlieren. Was aber zum Glück nicht ganz stimmte; jedoch hatte ich nicht mehr genü­gend Kraft, meine Kochphantasien auszuleben geschweige denn etwas davon umzusetzen. Ich gab in dieser Zeit meine Energie beinah alle meiner Mutter, die sie bitter nötig hatte.

Dennoch stimmte mich diese kreative Leere sehr traurig. Hätte Adrian und der Txoko in dieser Zeit nicht eines nach dem andern göttlichen Essen gekocht, wäre ich innerlich fast verhungert.

Vor etwa drei Wochen als sich bei meiner Mutter der Umzug ins Alters- und Pflegeheim vollzog, trank ich in einer kleinen Durchschnaufpause einen Café der nach Vanille duftete. Dieser brachte eine innere Lawine ins Rollen.

Auf einmal fühlte ich mich zurückversetzt nach NYC und verspürte Sehn­sucht nach den Bildern, wie Menschen unterschiedlichster Nationen auf engem Raum zusammen leben vermögen.

Nach dieser „heilen Welt-Vorstellung“ ging es mir irgendwie wieder gut und fühlte Energie in mich zurückkehren. Was mir noch viel wichtiger ist; meine Phantasie erhielt neue Flügel. Leise zeichneten sich neue Rezepte im Kopf ab. Ideen für Blogs und langen Kurzgeschichten drangen wieder nach oben.

Ganz besonders stark war die Empfindung vergangenen Freitagabend als der Txoko das wunderbare spanische Essen auf die Teller zauberte. Während unsere Männer kochten freute ich mich einer Freundin meine „NYC Tales and more“ zu schenken. Wir hatten zuvor mal über innere Bilderwelten gesprochen. Wie dann die Vorspeise zu Tisch gebracht wurde stellte ich freudig fest, dass ich wieder über Gerüche von wunderbarem Essen, neue Bilder in mir sah.

Der eine Meisterkoch des Abends erzählte, dass er die frischen Oliven, den iberischen Schinken und die Sardellen direkt auf dem Markt in Barce­lona wenige Tage zuvor gekauft habe.

Gedanklich schlenderte ich über den Markt, stellte mir das rege Treiben vor, in welchem ich mich an die Stände stellte und Grosseinkauf für mein imaginäres Essen machte...
Beinah wären mir die Tränen darüber gekommen. Reiste ich einmal mehr ich über das Essen an Orte, die mich schon lange mal reizen oder an denen ich tatsächlich schon war. So lüftete sich das Vakuum und nun stellt sich in mir langsam die Weihnachtsküche ein.

Vorfreudig bin ich geistig jetzt schon am Weihnachtsgutzi backen, Vor­speisen und Hauptgänge zusammenstellen. In mir ist wieder der Duft von angebratenen roten Zwiebeln, das leuchtende Rot der Riesen­scampis mit Tinto Nero Pennes mit Algen garniert, cremigen Risotto gerührt, Rosenkohl zart verfeinert mit Himbeer­pfeffer dazu rosaroten Kartoffelstock und violettem Kalbsragout, Kürbiscurrysauce mit Basmatireis.

Dies alles angekurbelt und die Gedanken wieder schwirrend durch die heutige Tramfahrt. Dem leuchtenden Tower und der Vorstellung, dass gleich dahinter der East River und damit NYC liegt.
 
Alors on-y-va!
 
A bientôt, Susann
 
 
 
26.11.2015
 
 



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