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Alles ausser Bio

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 23/8/2015 11:39:00
Wohlwissend, dass ein Kritiker von Bio Nahrungsmitteln hierzulande etwa so populär ist, wie ein Asylant an der Albisgüetlitagung, erlaube ich mir dennoch ein paar Gedanken zu diesem Thema. Wenn „alle“ etwas gut finden, so regt mich dies jeweils zur Reflektion an, ob dort wirklich alles Gold ist, was glänzt.

Dies ist wohl noch ein Überbleibsel aus meiner Jugendzeit, welche mit den sogenannten „Jugendunruhen“ einherging. Damals verbrachte ich viel Zeit in sogenannten „AJZ“s (Autononem Jugenzentren). Mein Lieblingsort war das Gelände der alten Stadtgärtnerei in Basel.

Diese verströmte mit ihren lockeren Gemisch aus alten Gewächshäusern und Bürobauten einen einzigartigen Charme. Die leerstehenden Gewächshäuser wurden in Boccia Bahnen oder Bars umfunktioniert und in den Keller-Räumlichkeiten fanden gelegentlich Konzerte statt. Tag für Tag trafen sich dort viele Jugendliche friedlich zum Plaudern.

Die Illegalität der Aktivitäten beschränkte sich im Wesentlichen darin, dass gelegentlich für ein Rockkonzert etwas Strom vom nächsten Verteiler abgezapft wurde. Der Staat hatte keine Pläne für die Zukunft des Areals. Am Eingang lag deshalb prominent ein grosser Schlüssel zu Händen der Regierung. Dieser war beschriftet als „Schlüssel für Unentschlossene“ und verbunden mit der Hoffnung auf einen Behördenentscheid, wonach das Areal auch mittelfristig ein Jugendtreffpunkt bleiben würde.

Eines Morgens wurde das Areal jedoch polizeilich geräumt und die Bagger fuhren auf. Anschliessend wurde eine Rasenanlage mit vereinzelten Parkbänken angelegt, welche auch heute über 30 Jahre danach noch dort ist.

Ich hätte ja Verständnis dafür gehabt, wenn man das Gelände hätte räumen müssen, um darauf Wohnungen oder Büros zu bauen. Aber diese mutwillige und zwecklose Zerstörung eines Treffpunkts, der nun wirklich niemanden konkret störte, irritierte mich zutiefst.

Seit diesen Tagen betrachte ich die Entscheide von Behörden oder Unternehmen stets auch unter dem Aspekt „cui bono?“ („wem nützt‘s?“). Dies führt ab und zu überraschenden Erkenntnissen, welche nicht immer vollständig mit den öffentlich kund getanen Absichten übereinstimmen. Honi soit qui mal y pense….

Nun also zu den Bio-Lebensmitteln: cui bono? Am Anfang der Lebensmittelproduktion steht der Bauer. Bei uns Stadtmenschen assozieren wir diesen gerne mit dem Alp Öhi aus der Heidi Geschichte. Wir sehen vor dem inneren Auge friedlich grasende Kühe vor einem grandiosen Alpenpanorama. 

Die Realität der Nahrungsmittelproduktion sieht jedoch ziemlich anders aus. Gemäss der FAO (UN Food and Agriculture Organization) konsumieren wir in der westlichen Welt durchschnittlich pro Tag rund 3‘500 Kalorien. Diese Mengen zuverlässig in gleichbleibender Qualität herzustellen, setzt hoch technologisierte, professionell arbeitende Betriebe voraus. Diese stellen 98% der täglichen Nahrungsmittel her. Die Alp Öhis sind zuständig für die verbleibenden zwei Prozent sowie für die Bauern-Romantik auf den Etiketten der Milchtüte.

Die Herstellung von „Bio“-Produkten ist für die Bauern mit administrativer und körperlicher Mehrarbeit verbunden, der Ertrag aber geringer. Dies scheint für die Bauern nicht sonderlich attraktiv zu sein. Es sei denn, dass sie die Produkte für einen massiven Mehrpreis verkaufen könnten.

Aufgrund der Marktmacht der Detailhändler habe ich allerdings meine Zweifel, ob sich – ausserhalb des Alp-Öhi-Romantik-Bereichs im Spezialitätengeschäft - die Bio Bauern mit ihren Produkten eine „goldene Nase“ verdienen können. Für die Grossbauern geht es bei der Produktion von Bio-Lebensmittel wohl relativ profan um die Befriedigung eines Marktbedürfnisses.

Nun, wenn Bio-Produkte den Bauern nichts nützen, dann vielleicht dem Detailhändler? Dort läuft die Bio-Marketing Maschine derzeit auf Hochtouren und es gibt mittlerweile nahezu nichts, was nicht auch in „Bio“ erhältlich wäre. Der Tag ist nicht fern, wo es auch Bio-Lego und Bio-Playmobil geben wird, die man kompostieren kann, wenn die Kinder grösser geworden sind und nicht mehr damit spielen.

Unweigerlich bleibt in diesem Marketing Feldzug manchmal die Logik auf der Strecke. Neulich hatte ich im Garten ein ernstes Problem. Hunderte von aggressiven Buchsbaumzünsler frassen unsere Hecke in einem derart rasanten Tempo weg, dass dringender und unmittelbarer Handlungsbedarf bestand. Ich fuhr in die Landi und erwarb das stärkste frei verkäufliche Mittel, um diesem Ungeziefer zu Leibe zu rücken und unsere Hecke zu retten. Zu Hause angekommen studierte ich die Verpackung und es traf mich beinahe der Schlag: Der Hersteller – notabene ein renommiertes Agrochemie-Unternehmen – war sich nicht zu blöde, das Insektizid mit „Bio“ anzuschreiben! Aber Hallo: ich will die Viecher doch vernichten und nicht züchten!

Das Zitat im Titel dieses Blogs „alles ausser Bio“ stammt aus der Gemüseabteilung eines grossen Detaillisten und steht verkürzt für „Rabatt auf alles ausser Bio“. Bei den allwöchentliche Gemüse- und Früchteaktionen sind grundsätzlich ausgerechnet die teureren Bio-Produkte - welche notabene für den Verkäufer einen höheren Gewinn abwerfen - von den Aktionsangeboten ausgenommen.

Ich verstehe die marktwirtschaftliche Logik dahinter gut. Die Preiselastizität bei Bio-Produkten ist niedrig und diese werden unabhängig vom Preis gekauft. Dennoch hinterlässt das Ganze bei mir einen etwas fahlen Nachgeschmack und die Frage „cui bono“ ist für die Detailhändler mit einem klaren „ja“ zu beantworten.

Doch wie sieht’s last but not least bei uns Konsumenten aus? Haben wir einen konkreten Nutzen aus Bio-Produkten? Nun, für mich steht bei Nahrungsmitteln der Geschmack im Vordergrund und ich bin gerne bereit, für besser schmeckende Gemüse oder Früchte mehr zu bezahlen. In meiner Erfahrung sind jedoch diesbezüglich Saisonalität und Regionalität die wesentlich massgeblicheren Kriterien als „Bio“.

Man kann mittlerweile in jedem Supermarkt Erdbeeren zu nahezu jeder Jahreszeit kaufen. Es ist jedoch wenig überraschend, dass diese zu deren Hauptsaison am schmackhaftesten sind. Früchte und Gemüse aus der Region schmecken nicht aus lokalpatriotischen Gründen besser - oder weil die Schweizer die besseren Bauern sind - sondern wegen der kürzeren Transportwege. Dementsprechend können die Früchte länger am Baum statt im Kühlhaus reifen.

Ich habe zu wenig Blindversuche gemacht um beurteilen zu können, ob unter ansonsten gleichen Rahmenbedingungen „Bio“ Produkte einen besseren Geschmack aufweisen oder ob der Konsument hier dem Placebo Effekt zum Opfer fällt. Persönlich kaufe ich in diesem Fall das Gemüse, welches frischer und schmackhafter wirkt.

Relativ entspannt bin ich hinsichtlich des Arguments, dass Bio Gemüse gesünder sein soll als traditionell hergestelltes Gemüse. Die Vertreter dieser Argumentation beziehen sich zu Recht nicht auf den Vitamin- oder Nährstoffgehalt, welcher nachgewiesenermassen nicht unterschiedlich ist. Im Vordergrund der Diskussion stehen allfällig verbleibende Spuren der chemischen Spritzmittel in Früchte und Gemüse. Dies sollte bei sachgemässer Anwendung nicht der Fall sein, kann aber wohl nie ganz ausgeschlossen werden und mag für Säuglingsernährung relevant sein.

In Anbetracht der relativ geringen Mengen Gemüse welche ein Erwachsener täglich zu sich nimmt, scheint mir die allenfalls mögliche gesundheitliche Belastung jedoch akzeptabel. Vollends vernachlässigbar wird diese Belastung jedoch, wenn man sie mit anderen Gesundheitsrisiken wie Tabak- oder Alkoholkonsum oder dem – ebenfalls nicht ganz auszuschliessenden - Gefährdungspotential durch die Strahlung Mobiltelefonen in Relation setzt.

Abschliessend nach eine kurze Bemerkung zum Argument, dass man mit dem Kauf von Bio-Produkten etwas Gutes für die Umwelt tue, da deren Produktion mit weniger Umweltverbrauch einher gehe. Dieses Argument erscheint auf den ersten Blick einleuchtend. Allerdings empfinde ich es unter diesem Aspekt äussert fragwürdig, wenn bei uns im Detailhandel ausserhalb der Saison „Bio-Birnen“ aus Argentinien angeboten werden. Aus meiner Sicht sollte man aufgrund des CO2 Fussabdrucks nicht erlauben, das solche Produkte ein Umweltfreundlichkeit suggerierendes Bio Label tragen.

Solche Bio-Produkte gibt es zum Glück nur selten. Aber auch bei lokalen Bio-Produkten sollte der positive Effekt auf die Umwelt kritisch hinterfragt werden: Wie erwähnt fliesst der grösste Teil der Preisdifferenz von Bio zu traditionell erstelltem Gemüse und Früchten in die Taschen der Detailhändler. Es würde der Umwelt somit mehr dienen, wenn man traditionell erzeugte Produkte kaufen und die GESAMTE Differenz für ein konkretes Umwelt-projekt spenden würde. Damit würde auch der auf den Detailhandel entfallende Betrag der Umwelt zu Gute kommen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: ich will niemanden davon überzeugen (keine) Bio-Produkte zu kaufen, sondern lediglich anregen zu hinterfragen, warum man dies (nicht) tut.

Liebe Grüsse, Adrian



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