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Genussvoll Essen mit kleinen Kindern

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 2/8/2015 20:20:00
Das Geniessen eines gepflegten Essens gemeinsam mit kleinen Kindern ist vergleichbar mit der Einladung von Alice Schwarzer als Gastrednerin an den Jahreskongress der „Hells Angels“. Beides ist nicht grundsätzlich unmöglich, aber für die erfolgreiche Durchführung sollten jeweils gewisse Rahmenbedingungen beachtet werden.

In historischer Perspektive ist das Thema „gut Essen mit kleinen Kindern“ jüngeren Datums. Die Bauersfrau im 19. Jahrhundert nahm wohl relativ entspannt zur Kenntnis, wenn Kind Nummer sieben lieber hungrig ins Bett ging als eine zweite Portion Rosenkohl zu essen. Ganz anders stellt sich die Reaktion der Hausfrau heute dar, wenn der kleine Flynn das sanft im Steamer gegarte Bio-Schollenfilet nicht essen mag.

Die Tyrannei der Kinder beim Essen ist die logische Folge davon, dass Kinder heutzutage häufig als das Projekt „das letzte grosse Abenteuer“ verstanden werden. Dieses wird folgerichtig derart minutiös geplant, so dass daneben die erste Mondlandung wie eine spontane Spritzfahrt anmutet. Schon die Geburt muss präzise auf die Laufbahnplanung der Mutter abgestimmt werden: Nicht zu früh nach der Ausbildung (damit Mutti bereits genügend Berufserfahrung hat, um nach der Geburt eine qualifizierte Teilzeitstelle zu finden), aber auch nicht zu spät, damit allenfalls noch ein Geschwisterchen folgen kann, um das Idyll der  Familie mit zwei Kindern, Einfamilienhaus und Geländewagen (oder e-Bike mit High-Tech Kinderanhänger, je nach politischer Ausrichtung) zu vervollständigen. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass in diesem kleinen Zeitfenster auch noch ein passender Partner zur Verfügung stehen sollte, damit die Idylle nicht in wenigen Jahren vor dem Scheidungsrichter endet.

Sind diese Hürden genommen, so fangen die Probleme erst an, wobei die Versorgung der Bedürfnisse des Babys noch das Einfachste ist. Entscheidend schwieriger ist das Finden der Methodik der Kindererziehung, welche dem Zeitgeist entsprechend zu gleichen Teilen nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen wie aber auch nach den sanften Methoden aus dem mündlich überlieferten Wissen unserer Ahnen erfolgen sollte.
Das einzig „Gute“ daran ist, dass man das Wissen nicht suchen muss, sondern dass man dies gratis und franko ausführlich von Schwiegermüttern, Arbeits- und Studienkolleginnen erzählt bekommt. Rückblickend erinnere ich mich gut an unseren Zwiespalt. Einerseits wähnten wir uns in der Lage mit gesundem Menschenverstand und Intuition ein Kind erziehen zu können. Anderseits waren wir ja auch keine Fachleute und wollten nicht verantwortlich dafür sein, wenn unser Sohn als Erwachsener mit der Kettensäge als „Jack the Ripper the 2nd“ durch die Innenstadt ziehen würde oder uns nach einer Psychoanalyse für sein verpfuschtes Leben verantwortlich machen würde. Dem Druck nachgebend liessen wir uns auf die aktuellen Trends ein, zumindest vorläufig:

Unser persönlicher Wendepunkt war der Besuch eines PEKIP Seminars an einem Samstagnachmittag. Der Zweck der Veranstaltung war meiner Erinnerung nach, dass unser Kind zusammen mit anderen Babies nackt auf dem Boden rumkrabbeln musste. Die Eltern standen in etwas Abstand daneben und unterhielten sich über die neusten Erziehungsmethoden, wozu - trotz der Zimmertemperatur von 35 Grad - heisser Kräutertee gereicht wurde. Mein Ruf nach einem kühlen Bier verhallte ungehört. Meine Versuche, mich wenigstens mit den Vätern über ein interessantes Thema zu unterhalten, wurden regelmässig innert Kürze durch böse Blicke von deren besseren Hälfte und einem kurzen „sorry, meine Frau möchte mich was fragen“ unterbunden. Zum Glück waren meine Frau und ich uns in Fragen der Erziehung im Wesentlichen einig und wir verbrachten die kommenden Samstage sinnvoller.

Kaum hatten wir unser seelisches Gleichgewicht wieder einigermassen erlangt, kam die nächste Herausforderung: der Wettbewerb der Eltern, was Fähigkeiten des Nachwuchses anging. So etwas hatten wir noch nie erlebt und dagegen war das Wettrüsten während des Kalten Kriegs eine Benefiz-Veranstaltung. Offenbar war unser Sohn weit und breit der Einzige mit gewissen biologischen Unzulänglichkeiten. Die meisten anderen Kinder schliefen offenbar ohne besonderen Aufwand seitens der Eltern seit dem ersten Tag durch. oder wollten spätestens am Ende des ersten Lebensjahrs „von sich aus“ keine Windel mehr tragen. Kaum konnte unser Sohn sprechen, mussten wir uns Gewissensbisse machen, dass wir uns mit ihm in unserer Muttersprache Deutsch und nicht wie andere Eltern auf Englisch unterhielten. Damit hatten wir offenbar seinen Berufspfad als Hilfsarbeiter unentrinnbar vorgespurt. Mein persönliches „Highlight“ war allerdings, als ich am Rande eines Elternabends stolz einer anderen Mutter erzählte, dass unser Sohn nun in den Blockflötenunterricht gehe. Diese entgegnete mir kühl, dass ihr gleichaltriger Sohn seit drei Jahren ein mir unbekanntes Instrument ausübe. Ich traute mich nicht zu fragen, ob es sich dabei um ein Blas- oder Tasteninstrument handelte. Sie schob dann noch nach, dass er zudem einen exotischen asiatischen Kampfsport ausübe und deswegen auch vor einem halben Jahr unbedingt ins Frühchinesisch wollte, um die Kultur besser zu verstehen. Ich brummelte etwas unverständliches, verzog mich in eine andere Ecke und behielt für mich, dass für unseren Sohn das kulturelle Highlight die Doppelfolge „Spongebob-Schwammkopf“ am Sonntag-Morgen war.

Gleiches galt beim Thema Essen mit Kindern. Hier waren wir von Familien umgeben, deren kleine Kinder entweder auf der Japan Reise die Freude am Essen von rohem Fisch entdeckt hatten oder welchen, die bei exotisch gewürzten Speisen vor Freude über die vielfältige Küche in die Hände klatschten.

Unsere Erfahrungen mit dem Wunsch nach Abwechslung waren etwas anders und ich hätte von meinem Sohn keinen Widerstand erwartet, wenn ich sieben Mal in der Woche Fischstäbchen gekocht hätte. Das Problem bestand nun darin, dass ich meinerseits wenig Lust auf Fischstäbchen sieben Tage die Woche verspürte, anderseits aber auch nicht bei jedem Essen eine Diskussion über das „eklige Gemüse“ führen wollte. Aus praktischen Gründen kam es auch nicht in Frage jeweils ein Kinder- und ein Erwachsenenmenu zu kochen.

Nach etwas hin und her haben wir folgende gutschweizerische Kompromisse gefunden, welche ein genussvolles harmonisches Essen mit kleinen Kindern ermöglichten:

1.   Gemüse: Unser Sohn mochte nur wenig Gemüse, vor allem Karotten. Folgerichtig ersetzte ich in den Rezepten die ungeliebten Gemüse in der Regel mit Karotten und siehe da: die Anzahl möglicher Rezepte vervielfachte sich. Die Karotten Lasagne ist übrigens ein Renner geworden, die ich heute noch für unsere Gäste koche.
 
2.   Gewürze: Ich wuchs im Glauben auf, dass das Nachwürzen am Tisch als eine Kritik am Koch empfunden würde. Dementsprechend hatten wir anfangs viele Diskussionen über die richtige Schärfe eines Essens. Dies hat sich geändert, seit ich beim Kochen nur noch sanft würze und jeder am Tisch nach seinem Gusto selber würzen kann.
 
3.   Saucen: Über Jahre war die Lieblingssauce meines Sohnes zu Teigwaren eine Mischung aus kalten Halbrahm mit viel Kräutersalz. De gustibus non es disputandum, aber mir war die Dill-Lachs-Rahmsauce lieber und wir konnten harmonisch zusammen essen, wenn jeder seine eigene Sauce hatte.
 
Kritische Mütter merkten damals an, dass mit solchen Methoden die Geschmacksknospen meines Sohns verkümmern würden und er sein Leben lang nur Wurst und Brot essen würde. Dem war nicht so und mit fortgeschrittenem Alter entwickelte er zusehends Experimentierfreude und hat z.B.neulich in einem Londoner Pub mit grosser Begeisterung die Shepherd Pie entdeckt.
 
Bis bald, Adrian



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