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Das Leben ist zu kurz, um zu teuren Wein zu trinken

Herausgegeben von Adrian in Allgemeines · 8/8/2015 12:14:00
Häufig hört man bei Einladungen die verheissungsvolle Ankündigung des Gastgebers: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“. Diese wird dann in der Regel gefolgt von einer längeren, abenteuerlichen Geschichte, wie man sich vor zehn Jahren in den Ferien im italienischen Hinterland verfahren habe. Erschöpft im Niemandsland angekommen habe man in einer kleinen Trattoria vom Dorfältesten diesen Wein empfohlen bekommen. Seither fahre man jeden Herbst zu diesem sympathischen Weinbauern und pflege mit ihm und dessen reizender Frau freundschaftliche Beziehungen. Seit ein paar Jahren importiere man den Wein nun auch für Freunde und Bekannte exklusiv in die Schweiz….

Ich mag solche Geschichten grundsätzlich, denn ich esse und trinke gerne Waren, zu denen oder deren Hersteller ich einen persönlichen Bezug habe. Leider habe ich aber entweder zu wenig Ferien oder ein zu gutes Navigationssystem im Auto, um mit diesem System meinen Weinkeller angemessen zu füllen.

Sozial- und Präventivmediziner (sowie der Agent meiner Krankenkasse) mögen bitte den folgenden Absatz überspringen. Zunächst möchte ich festhalten, dass ich kein Weinspezialist bin und auch nicht werden möchte. Mein Anliegen ist simpel: ich trinke gerne guten Wein zu einem guten Essen (und ich trinke sogar noch lieber guten Wein zu einem schlechten Essen, um dessen Geschmack zu übertünchen….). Dies gilt eigentlich auch für das Mittagessen. Allerdings haben sich in meinem Arbeitsumfeld die Gebräuche in den letzten 20 Jahren stark gewandelt. Damals war die Frage einzig, wer dieses Mal die Weinkarte studiert. Heutzutage wird unisono ein stilles Wasser oder von den ganz Mutigen oder Junggebliebenen eine Cola getrunken. Meine Frage, wer mich bei einem offenen Roten unterstützt, wird mit der stereotypen Floskel, dass man nachher zu müde zum Arbeiten sei, höflich aber bestimmt abgewehrt. Ich verzichte dann auf den Hinweis, dass rein biologisch betrachtet, die Alkoholmenge eines Deziliters Rotwein begleitet von einem grossen Schnitzel bei einem 80 Kilogramm schweren Erwachsenen, nur begrenzte physiologische Auswirkungen haben kann.

Der guten Stimmung zu liebe verzichte ich auch auf den Hinweis, dass gewissen Personen eine kleine Rotwein Sedierung über Mittag nicht schaden würde. Im Gegenteil: Es wäre im allgemeinen Interesse, wenn diese dadurch davon abgehalten würden, jede Email innert Sekundenbruchteilen von ihrem Smartphone aus zu beantworten. Manchmal wünschte ich mir, dass auch im Email-Zeitalter der damals technisch bedingte Grundsatz der SE-125 Funkgeräte der Schweizer Armee gelten würde: „Denken, Schlucken, Sprechen“. Ich würde ohne Zögern den Wirtschaftsnobelpreis für diejenige Person vergeben, welche eine technische Sperre erfände, womit auf eine Email erst 5 Minuten nach deren Lesen geantwortet werden könnte. Die Auswirkungen auf die Qualität der Entscheidungsfindung wäre fantastisch: nicht nur, weil die Schreibenden dadurch gezwungen würden, über die Notwendigkeit wie auch den Inhalt der Mail nachzudenken, sondern auch, weil sich die Empfänger mangels Ablenkung durch eintreffende Emails auf ihre tatsächliche Arbeit konzentrieren könnten. Es fände ein grundlegender Paradigma-Wechsel statt: vom dauernden Reagieren zum Reflektieren und aus eigener Initiative Agieren.

Aber zurück zum Thema des guten und günstigen Weins. Vor ca. 20 Jahren gab es in der Schweiz eine Wochenzeitung zu wirtschaftlichen Themen. Deren Papier war in Anlehnung an die Financial Times orange. Leider bestandbezüglich der journalistischen Qualität weniger Gemeinsamkeit. Nichts desto Trotz publizierte dieses Blatt einen wegweisenden Artikel.

In der Rubrik „how to spend it“ erschien eine Auflistung von einem Dutzend guten Weinen im Preissegment von 10.- CHF, welche im normalen Detailhandel erhältlich waren. Ich erinnere mich gut, wie ich gestützt darauf über Jahre Weine mit ausgezeichnetem Preis-Leistungs-verhältnis in einem Geschäft namens Pick n Pay kaufte. Irgendwann verschwand die Wochenzeitung und später auch der Pick n Pay.

In den folgenden Jahren kaufte ich meine Weine an verschiedensten Orten: manchmal Bessere, manchmal Schlechtere. Allerdings wurde ich zusehends unzufriedener mit dem Preis-Leistungsverhältnis und machte mich vor ein paar Jahren auf die Suche nach einer aktualisierten Fassung des Zeitungsartikels im Internet oder in Buchform. Im Internet fand ich nur Werbebroschüren. Im Buchhandel erstand ich zwei, drei Bücher, welche versprachen, gute Weine aus dem Supermarkt aufzulisten. Die gestützt darauf gekauften Weine waren günstig. Leider hatten aber deren Eigenschaften – abgesehen von der Farbe - relativ wenig mit dem im Buch Angepriesenen gemeinsam, sondern waren durchs Band einfach nur schlecht.

Als nächstes abonnierte ich eine renommierte Wein-Zeitschrift in der Hoffnung, dort Weine mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis kennen zu lernen. Dies war jedoch ein noch grösserer Reinfall und zwar aus zweierlei Gründen: Zunächst musste ich feststellen, dass sich die Zeitschrift nicht auf die Interessen der Leser ausrichtete, sondern auf diejenigen der Weinverkäufer und Weinbauern. Die besprochenen Weine konnten entweder in der „Enoteca zum tiefen Keller“ in Hinterobertupflingen am Inn gekauft werden oder – noch schlimmer – direkt beim Erzeuger „Cantina Stefano da Vinci“ am Ende der Bergstrasse im hinteren Nebental des dritten Zuflusses zum Arno…. Mir scheint die Wahrscheinlichkeit grösser, dass ein Veganer an einer Führung in einer Wurstfabrik teilnimmt, als dass ein Leser sich dort einen Wein kauft... Die zweite Unzulänglichkeit der Zeitschrift war, dass die vorgestellten Weine im Segment zwischen CHF 30.- und CHF 150‘.- lagen. Dies mag für einen besonders guten Wein zu einer besonderen Gelegenheit oder für ein Mitbringsel bei einer Einladung Sinn machen, ist für den täglichen Genuss aber schlicht zu teuer.

Tief frustriert nach diesen Erfahrungen schaltete ich Email und Internet ab und begann zu reflektieren. Dabei kam ich zu folgendem Anforderungsprofil:

1.   First and foremost: Der Wein muss geschmacklich sehr gut sein und sich deutlich vom Durchschnitt abheben.
 
2.   Der Wein muss in einer mittelgrossen Stadt konstant bei einem der Detailhändler erhältlich sein
 
3.   Gestützt auf umfangreiche empirische Selbstversuche kam ich zur Erkenntnis, dass derzeit die optimale Preis-Leistungsregion bei Rotwein im Bereich CHF 12.- bis CHF 15.- pro Flasche und bei Weisswein bei CHF 8.- bis CHF 12.- liegt.
 
Über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten, dennoch sind aus meiner Sicht die Kriterien, wann ein Wein „sehr gut“ ist, relativ simpel und objektiv:
 
1.   Geruch: Der Wein sollte gut und angenehm riechen. Allen Ausführungen der Verkäuferbroschüren zum Trotz rochen die meisten von mir degustierten Weine in der Regel regelmässig nach gar nichts. Im schlechteren Fall stellten sich die angepriesenen „Noten von Leder, Tabak und Hibiskus“ in der Realität als „Mief von altem Schuh, Zigarettenstummel und Kompost“ heraus.
 
2.   Geschmack: Dieser sollte wiederum gut und angenehm sein. Je nach Essen und persönlichem Geschmack kann dieser dezent oder kräftig sein. Persönlich mag ich bei Rotwein einen kräftigen und vielfältigen Geschmack und die Abwesenheit von einem pelzigen Nachgeschmack. Obwohl es durchaus auch guten Weisswein gibt, habe ich persönlich Rotwein viel lieber und trinke diesen entgegen allen Regeln auch zu weissem Fleisch und Fisch.
 
Nach harten Monaten zäher Knochenarbeit mit ausgiebigen Selbstversuchen, in welchen ich zahlreiche Weine verkostet und bewertet habe, kam ich zu folgender Liste von Rotweinen, welche derzeit meine „Alltagsweine“ sind. Die Reihenfolge ist nicht wertend und in Klammern der aktuell erhältliche Jahrgang auf den sich die Bewertung bezieht.
 
- Fetzer Crimson (2010),
- Don Mendo Gran Reserva (2008),
- Puro Cabernet / Malbec (2014)
 
Gerne nehme ich eure Weintipps für Alltagsweine wie auch für Weine für besondere Gelegenheiten per Email entgegen.
 
Bis bald und liebe Grüsse, Adrian




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