1001 Nacht Teil 2 - Homeparadize - Homeparadize

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

1001 Nacht Teil 2

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 2/7/2017 18:23:00
Zurück auf die Dachterrasse: Zur Vorspeise gab es frischen Randen (Rote Beete)-, Tomaten-, Gurken-, Zucchini-, Kabissalat und natürlich den lauwarmen Karottensalat mit jeder Menge Arganöl. Die anderen Salate hatten eine Sauce aus Zitronensaft und einem ganz milden Essig. Aus einem Schälchen roch selbstgemachtes Harissa, zum selber würzen, je nachdem wie scharf man sein Essen mag. Harissa ist eine aus dem Maghreb stammende, scharfe Gewürzpaste aus frischen Chilis, Kreuzkümmel, Koriandersamen, Knoblauch, Salz und Olivenöl. Für mich ein Must have. Wo erhält man hier, ausser man stellt es selbst her, frisches Harissa? Tränen trieben mir in die  Augen, dass ich solch schöne Gaumenfreuden und sonstige Glücksmomente mit Adrian erleben durfte. Wobei wohl auch das Harissa nicht ganz unschuldig dafür war :-)

Das Dessert erschien mir zunächst als ein Bruch, mit der ansonsten konsequenten Saisonküche: Orangen-Zimtsalat mit frischen Melonen. Hätten wir nicht am gleichen Tag in einem der öffentlichen Wesir Paläste Bäume voller reifen Orangen und dies nicht etwa in einer Orangerie sondern auf dem Zugangsweg zum Palast gesehen, hätte ich keine Orangen gegessen, weil dies für mich eine typische Winterfrucht ist. Aber da sie in Marrakesch in voller Pracht und Süsse an den Bäumen hingen, gab ich mich dieser Wonne hin. Ich erinnere mich nicht, jemals zuvor solch wunderbare Orangen gegessen zu haben. Das will etwas heissen, denn ich esse im Winter täglich ein bis zwei dieser orangen Vitaminbomben.

Berauscht nach diesem göttlichen Essen mitsamt einem unbeschreiblich leckeren Rotwein aus Meknes kehrten wir leicht beschwipst zurück in unser Riad. Oui Monsieur Mickael, nous sommes retour de la Paradis. On a mangé et bu excellent. Als Franzose seit 25 Jahren in Marrakesch lebend, kennt er natürlich die Restaurants, die sogar während dem Ramadan Wein ausschenken und schickte uns dorthin.

Am andern Morgen verwöhnte er uns mit dem offenbar typischen marokkanischen Frühstück: diverse frische Früchte, Zuckergebäck, Rührei, Vollkornbrot, Vanillejoghurt, Pfefferminztee und frisch gepresster Orangensaft. Wie jeden Tag auf diese Weise wunderbar gestärkt erkundeten wir die Stadt erneut. Unser Weg führte mehrfach und zu allen Tages- und Nachtzeiten über die Djemaa el Fna, dem grössten Platz Afrikas. So heisst es das jedenfalls in den Reiseführern und bei den Berbern und den Tuareg.

Auf der Djemaa el Fna trifft man Früchteverkäufer, Silberhändler, Hennamalerinnen, Schlangenbeschwörer, dressierte und auch durchbrennende Kapuzineraffen, Wahrsagerinnen, Schwarzafrikaner mit Rolex- und Iphonefakes, Trommler, Zimbeln- und Lurenspieler, buntgekleidete Männer und Frauen, eine riesige Gassenküche, von der das gegrillte Hammelfleischaroma in den Abendhimmel steigt während der Muezzin zum Abendgebet ruft. Wir sahen das Freitagsgebet zu Beginn des Ramadan aus nächster Nähe. Vor uns ca. 20000 Gläubige auf dem Platz der grössten Moschee Marrakeschs.

Wir gingen am ersten Tag den „Stadtführern“ auf den Leim und bezahlten viel zu viel für ein bisschen Stadtführung. Andererseits ohne diese hätten wir nie bei den Tanneuren (Gerbern) an den stinkenden Becken zusehen können, wie sie die Kamellederhäute waschen, reinigen, um sie dann später getrocknet zu färben und in Stücke für die Babouches zu schneiden. Ja auch wir kauften Babouches in allen Farben und Grössen für uns und unsere Kinder. Wir lernten, dass ein Büschel frischer Pfefferminz vor der Nase als „Berbergasmaske“ dient.  Weiter sagte man uns, dass der allgegenwärtige Eselkarren leicht spöttisch als  „Berbermercedes“ bezeichnet werde.

Wir wichen den halsbrecherisch durch die kleinen Gassen fahrenden Mofafahrer aus, die wirklich aber wirklich alles damit transportieren. Angefangen von Frau, Kind und Hühnern, bis zu riesigen Gewürzsäcken und Bäumchen. Staunten im Jardin Majorelle welch Schönheit Yves Saint Laurent und Pierre Bergé wieder zum Leben erweckten und der Öffentlichkeit schenkten. Stumm und ein wenig traurig stand ich vor dem YSL Memorial, doch fühlte ich vom angrenzenden Rosengarten seine Präsenz. Tranken dort einen meiner liebsten Smoothies, die wir literweise in Marrakesch kennen- und lieben lernten.

Dieses Rezept teile ich gerne mit euch: ca. 8 kleingeschnittene Datteln (am besten im Cutter zerkleinert), 3 Esslöffel Fleur d’Oranger und ca. 6dl Milch. Gut schütteln und eiskalt trinken.

Wir assen sehr leckeres Thunfischsandwich mit Käse aus dem Atlas und tranken dazu herbes Bier aus einer Brauerei in Marrakesch. Liessen Parfums mischen, kauften Amber und Sandelholz. Polierten unser Französisch mächtig auf durch Geschäftsverhandlungen bzw. Feilschen in der Medina und mit stundenlangen interessanten Gesprächen mit Mickael über den aktuellen König, Gott und die Welt. Wir kamen als Gäste und verliessen Marrakesch als Freunde.

Nun ist das schöne Erleben bereits Erinnerung. Doch zu Hause duftet es noch in allen Räumen nach Sandelholz und Amber, dampft der Pfefferminztee aus dem Silberkännchen. Das Versprechen ist gegeben: es wird eine marokkanische Sonntagsküche geben. Meiner Familie kochte ich kürzlich ein Lammragout mit reichlich Ras al Hanout und Pfefferminz-Couscous. Er gelang sehr gut, vielleicht weil ich beim Kochen die ganze Zeit vor den geistigen Augen den Atlas sah, die lauten Geräusche in Marrakeschs Gassen hörte und im Laden des Tuareg meine Gewürze zusammengesucht habe. Die mindestens 35 Aromen, die mich zurück zu 1001 Nacht schickten. Nach Marrakesch. Die Schwesterstadt von Marseille. Und in letztere reisen wir dieses Jahr auch noch. La vie est belle.
 
À bientôt, Susann
 



Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü