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About Roses

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 6/11/2016 16:36:00
Von Adrian bekam ich allerhand schöne Geschenke zum Geburtstag. So zum Beispiel eine Sonderedition vom Geo zum Thema Jugendstil und Art déco. Diese Epoche ist für mich sehr wichtig. In meinem Blog über weisse Leinentischwäsche nahm ich euch schon mal vertiefter in diese Innenweltenbilder mit und zeichnete eine Szenerie aus dem Fin de Siècle. Was mich genau daran fasziniert, vermag ich bis heute nicht unbedingt mit Worten auszukleiden. Vielleicht am ehesten so: Ich fühle mich dieser Zeit sehr nah. Vielleicht ist es die Sehnsucht nach einer Zeit, in der es noch keine Hektik gab. Keine Dauererreichbarkeit, keine Schlagworte wie Entschleunigung oder Wohlstandsverwahrlosung, kein Fastfood, Easy Travelling und schon gar nicht die Fun-Gesellschaft. Alles heutige Zeitgeister, mit denen wir leben müssen oder es zumindest ansatzweise gelernt haben, damit umzugehen.

Nun bin ich bei einem meiner „Lieblingswörter“ angekommen, dem Entschleunigen. Gegenpol zu Beschleunigen. Im Moment ist in Basel die Herbstmesse. Wenn ich als auf meine weiterführende Tram warten muss, komme ich an diesem Rummel vorbei. Sehe den Bahnen zu, die mir beim reinen Zusehen Übelkeit verursachen, weil sie rasend schnell sind. Meist kreisherum. Mein Magen dreht sich von alleine ohne darauf gesessen zu haben. Doch nicht nur das ist mein Gefühl, sondern der jährliche Wettbewerb noch schneller, noch höher, noch teurer. Die Menschen bezahlen dafür und schätzen sich danach einer Erfahrung reicher. Alles was zählt ist der Thrill. Okay, definitiv nicht mein Ding!

Kürzlich las ich von Flaubert Madame Bovary. Was mich extrem berührte war die hörbare Stille. Von weither Pferdegetrappel, das Ticken der Wanduhr und Schlagen zur vollen Stunde, das Knarzen des Holzbodens und das Atmen des Gatten, lesend am Cheminée, während der Novemberwind um die Häuser fegt. Diese Szenerien gibt es heute nicht mehr. Fährt mal ausnahmsweise kein Auto auf der eigentlich ruhigen Quartierstrasse empfinden wir es bereits als „still draussen“. Ich versank mit Wohltat zurück in mein Buch und tauchte ab in die Stille. In diese gezeichneten Bilder einer Welt, die nicht mehr wieder kommt. Oder doch ?

Ich erhielt von Adrian nämlich noch anderes Lesematerial. Für mich eine Kostbarkeit. Voller Juwelen und Edelsteinen. Nämlich das Kochbuch von Olivier Streiff. Es wurde am 6. Oktober 2016 veröffentlicht. Am 29. Oktober signierte er es in einer uns bekannten Buchhandlung in Beaune. Leider war das aber für uns doch zu weit an diesem Tag. Dies mindert jedoch in keinster Weise meine Freude daran. Ich nehme es dann einfach zum signieren mit bei unserm nächsten Besuch. Auf mein Thema zurückkommend: Fasziniert finde ich meinen Eindruck bestätigt, den ich euch im Blog „Dritter Versuch“ anfangs September schon erzählt habe. Oliviers guter Freund, nämlich Nicola Sirkis, schreibt im Preface zum Buch, dass die Ruhe und Stille, die Oliviers Küche verbreitet, äusserst bemerkenswert ist. Man könnte meinen, Nicola und ich hätten uns ausgetauscht.
 
Doch genau dies ist der Punkt. Für diesen meinen heutigen Blog. Die Ruhe, die Entschleunigung in der Küche. Genau an diesem baue ich auch. Zum Beispiel verwende ich deshalb sehr gerne die alten Gemüsesorten. Nun dürft ihr lauthals über mich lachen. Ich hab vor ein paar Tagen per Handy mit Adrian im Tram unser kommendes Menu zwecks Einkaufsliste besprochen. Ausgerechnet ich, die eigentlich äusserst ungern und nur im allerhöchsten Notfall in der Freizeit telefoniert…

Vis-à-vis  sass eine ältere Frau und ich konnte deren Stielaugen beobachten, wie ich von rotem Mangold, Schwarzwurzeln, Kürbis und erst noch selber kochen sprach. Offenbar sind solche Gespräche nicht mehr en vogue.

Jedenfalls erinnerte ich mich, wie an der vergangenen Sonntagsküche ein weiblicher Gast lobend zu mir sagte, dass ich die Messlatte sehr hoch für die Damen am Tisch setzen würde. Dies nachdem ich allen erklärte, wie ich den Rosengelee zubereitet habe: Eine liebe Kollegin kam von ihrem China-Urlaub zurück und drückte mir ein Beutelchen Teerosenköpfchen in die Hände. „Du weisst sicher was damit anzufangen“ meinte sie lächelnd. Zu Hause überbrühte ich sie dann mit heissem Wasser und vollendete sie mit arabischem Rosenwasser. Das exakte Prozedere des Rezeptes ist zu lesen unter Les deux Reines auf www.homeparadize.com unter Desserts. Was mir aber eine Gedankenreise auslöste waren die jeweiligen Schriftzeichen.

Auf dem Rosenbeutel die Chinesischen und auf der Flasche die Arabischen. Dies reichte um in mir eine Gedankenreise auf der Seidenstrasse auszulösen. Ich zuckelte auf dem Rücken eines Dromedars unterhalb des mächtigen Himalayas in Richtung Sahara. Ich weiss, geografisch geht das nicht ganz auf, was ich schreibe, gefühlsmässig ja. Jedenfalls wechselte das Dromedar zu einem Kamel und ich kam an. Die Rosen, durch die lange Reise glühender Sonne und kalten Mondnächten ausgesetzt, verströmten einen paradiesischen Duft und erzählten von längst vergangenen Zeiten. Zogen mich in die Rosenarien alter Schlösser. Zu wilden Rosen, die sich alten Gemäuern entlangranken. Zeigten mir Madame Bovarys Hände, den Hochzeitsstrauss aus drei Rosen in den Händen haltend. Reisten mit mir zu den mittelalterlichen Kathedralen in ganz Europa verstreut, machten mich auf die Fensterrosen und Schlusssteine aufmerksam. Allesamt in der vollendeten Form einer Rosenblüte. Mir wurde bewusst, dass ich nicht zum ersten Mal in die Mysterien der Rose initiiert bin.

Weit weg von der Küche? Ja vielleicht. Doch nicht ganz, ich habe ja Rosengelee gekocht. Was das mit Entschleunigen zu tun hat? Nun es ist ein Rezept, das nur durch die Geduld und Weile gelingt. Aufkochen, über mehrere Stunden ziehen lassen, nochmals aufkochen, abkühlen und stehenlassen. Ein Prozess über ein, zwei Tage bis das Resultat vorzeigbar bzw. geniessbar ist. Was ich final damit meine ist, ich mag es über Tage verteilt zu kochen. So beginne ich jedes Mal, wenn wir eine Grosseinladung oder die Sonntagsküche haben, ein paar Tage zuvor mit den ersten Vorbereitungen. So zieht zB seit gestern der Kürbis im Safranbad und das Magenbrot trocknet seit 24 Stunden auf dem Blech. Was genau ich dann mit dem roten Mangold und den Schwarzwurzeln noch alles anstellen werde, weiss ich momentan noch nicht. Mein Herz wird es mir dann beim Schälen und schneiden sagen. Bei mir läuft das Kochen nämlich so, als ob sich eine Rosenknospe öffnet und das geht ja auch nicht ratzfatz sondern in Slowmotion. Wären wir also wieder am Anfang des Entschleunigungsblogs.



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