Der Kalbsbraten, eine Hochzeit und andere Vorfreuden - Homeparadize - Homeparadize

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Der Kalbsbraten, eine Hochzeit und andere Vorfreuden

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 25/1/2017 08:35:00
Nervös las ich nochmals diverse Rezepte zum Kalbsbraten. Erst kräftig anbraten, dann tatsächlich für zweieinhalb Stunden im Ofen bei 80 Grad braten und danach bei 60 Grad noch eine weitere Stunde (im erwähnten Ofen) warm halten. Soll genau das Richtige sein; schrieben jedenfalls die Rezepte. Ohhhhkay... Ich war nicht wirklich überzeugt, dass mir dies gelingen sollte. Obwohl wir dies ja in der Sonntagsküche vor ein paar Monaten bewiesen haben. Also; Adrian es bewiesen hatte, nicht ich. Meinen letzten Braten hatte ich vor gefühlt 321 Jahren gemacht, obwohl ich Braten ja eine ganz tolle Sache finde. Gut würzen, anbraten, dann in den Ofen und schon hat man wieder die Hände und den Kopf frei für die Beilagen. Klingt simpel, aber ich war dennoch sehr nervös, ob er mir gelingt oder zäh wird, wie Schuhleder.

Meine Gäste trudelten ein, wir tranken gemütlich Apéro und verzettelten uns im Gespräch. Nachdem die letzten Tinto Nero Grissini aufgegessen waren, gingen wir zur Karotten-Ingwer-Suppe über. Diese löffelten wir gemütlich und es ging weiter im über Gott und die Welt reden. Nach dem Abräumen brauchte ich nochmals einen kurzen Moment in der Küche bis alle Beilagen nochmals warm bzw. heiss in der Pfanne brutzelten, köchelten, dämpften. Ich liebe es über mehrere Stunden zu kochen und alles vorzubereiten, um dann für die Gäste alle Zeit zu haben, wenn es sich um eine Einladung handelt. Bei der Sonntagsküche ist es was anderes; da koche ich zwar genauso viele Stunden lang, aber da setzen wir uns – wenn überhaupt -  erst ganz am Schluss zu den Gästen.

Zurück zum Braten: Nun kam der spannende Moment. Mit entsprechender Nervosität schnitt ich mit meinem neuen Kai Santokumesser schöne Tranchen. Butterzart ging das Messer durch das gebratene Fleisch. Erst dachte ich natürlich an die Qualität dieses einzigartig tollen Messers, doch beim „Schnäfeli“ (probieren) jubelte ich innerlich. Das Fleisch war zart. Bei komplett verplauderter Zeit war er alles in allem fast drei Stunden im Ofen. Meine Gäste fanden ihn sehr lecker. Erleichtert und sehr erfreut bin ich selber über dieses gelungene Ergebnis.

Überhaupt Freuen. Das ist das Stichwort zur Überleitung.

Vor ein paar Tagen beschlossen Adrian und ich eine Reise nach Marrakech zu machen. Wir verreisen irgendwann im Frühling. Beide waren wir noch nie in Nordafrika und aus diesem Grund ist die Freude besonders hoch. Welch andere Mentalität, Kultur, Gewürze, Gerüche und Erlebnisse uns dort erwarten. Bereits die Vorfreude klingt in mir wie 1001 Nacht.

Wir werden 5 Tage dort verbringen und wer weiss, liegt vielleicht sogar noch ein kleiner Karawanenausflug in die Sahara drin. Ich freue mich bereits jetzt in der Vorstellung durch die rote Stadt zu ziehen, der 12km langen Stadtmauer entlang zu laufen, den Kamelmarkt zu sehen und den ehrfurchtsvollen Blick nicht vom Hohen Atlas abwenden zu können. Auf den Spuren von Yves Saint Laurent im Jardin Majorelle staunend zu versinken. In Erinnerungen an meinen Lieblingsmodemeister zu schwelgen. Ihm nachzuspüren, auf welche Kreationen er dort gekommen sein muss. Später den Schlangenbeschwörern fasziniert und mit leicht gesträubten Nackenhaaren zuzusehen. Den Gewürzmarkt von Ferne bereits zu riechen, um dann in den Düften zu ertrinken, wenn wir vor den grossen Töpfen und Tajines stehen, aus welchen diese Aromen strömen. Säckchenweise Marrakech nach Hause bringen und irgendwann eine Sonntagsküche mit dem Thema Marokko kochen.

Doch bevor wir diese Reise unternehmen sind wir an eine Hochzeit ausserhalb Londons eingeladen. Sie findet in einem kleinen Manor (Herrenhaus) statt. Ich fragte heute die Braut per Email an, ob sie irgendwelchen Dresscode vorgeben. Ich würde ja zu gern Adrian im Frack und Zylinder sehen J Ich hoffe allerdings aber nicht, weil dies bedeuten würde, ich müsste dann eine Scheusslichkeit in Dottergelb oder Fliederfarben tragen. In Lang.
Heut Abend nach der Arbeit ging ich nämlich kurz durch die Stadt, um mal Ausschau zu halten nach sogenannten Festtagskleidern. Leise wurde mir dabei schlecht. Alles mehr oder weniger Zahlbare war eine Fürchterlichkeit nach der andern. Eben Dottergelb und Flieder, Schlammgrün und Lachs. Mit Tüll, gerafftem Busen und Trägern. Okay; definitiv nicht meins. So wünsche ich mir insgeheim die Braut schreibt mir zurück, dass ich sehr gerne in meinem kleinen Schwarzen kommen dürfe J.

Später erlaubte ich meinem Geist eine Reise zu machen. Ich malte mir aus, was wohl die Damen vor 200 Jahren zu Hochzeiten trugen. Guipurespitzen besetzte Ärmel und Décolletées auf hellem ivoirefarbenem Leinen gestickt. Pastelliges Hellblau auf dunkelblauem Samt oder die ganze Variation in Karmesinrot, meinem Lieblingsrot. Oder schlichtes weisses Leinen-Mousseline. Die Haare hochgesteckt, die schweren Ohrringe aus Granat oder Rubin und duftend nach Veilchen- oder Rosenwasser. Die Samtschuhe, die keinen Matsch oder Regen vertrugen, schon gar kein Eis. Achja, dies die Kleider der „besseren Damen“. Die Herren im grauen, schwarzen oder dunkelblauen Frack mit Zylinder. Das dunkelrote Seidentuch zu einem Schmetterling um den Hals gebunden. Ein wenig steif erzählt der Brautvater schlechte Witze, während das Brautpaar keusch und betreten zu Boden schaut. Erst als der Vetter dritten Grades die Fiedel zu zupfen und dazu die Cousine des Bräutigams leicht unverschämt das Tanzbein zu schwingen beginnt, so dass die beiden Grossväter ihr Eau de Vie beinah verschütten, kommt endlich Leben in das Ganze. Schliesslich ist Hochzeit, Familien sollen zusammengeführt und ein schönes Fest gefeiert werden. Der Kalbsbraten gibt’s gleich fünf Mal, Entenbraten zweimal und der Ochse am Spiess nur einmal. Denn der ist ja schliesslich gross. Die Tafel biegt sich unter den Schüsseln mit dampfendem Gemüse und Pellkartoffeln. Die Stubenmädchen und Stallburschen fungieren als Küchenpersonal, das den Gästen die Teller und Gläser füllt. Später gesellen sie sich dazu, und wie die kecke Marie mit ihren 15 Jahren, das Häubchen vom Kopfe zieht, um ihre blonden Locken auszuschütteln, sind es wieder die beiden Grossväter, die ihr achtes Glas Eau de Vie verschütten. Die Brauteltern sind entzückt, die Eltern des Bräutigams pikiert. So verschieden doch die Menschen sind, aber steht gutes Essen und Trinken auf dem Tisch, sind alle glücklich. Stimmts?

A bientôt, Susann



Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü