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Sauerklee, Frühlingsgrün, Colomba und andere Vögel

Herausgegeben von Susann in Allgemeines · 26/4/2017 12:11:00
Voller Vorfreude stieg ich am Abend zuvor ins Bett mit festem Vorsatz anderntags früh aufzustehen, um auf dem Markt in Lörrach frische Küchenkräuter für meine Terrasse zu kaufen. Ohne Wecker werde ich tatsächlich sehr früh wach und gönne mir zum Frühstück ein SEHR grosses Stück Colomba (italienisches Osterbrot; Rezept einer Nonna aus Como siehe unten.)

500g Mehl, 150g Zucker, 150g Butter, 4 Eier, 2 Eigelb, ½ l Milch, 100g ungeschälte Mandeln, 100g Orangeat, 50g gehackte Mandeln, 20g Hefe, eine Prise Salz, 100g Hagelzucker zum Garnieren
250g Mehl mit der Hefe und etwas lauwarmer Milch vermischen. Den Teig zu einer Kugel formen und in einer mit einem Leinentuch zugedeckten Schüssel aufgehen lassen. Am besten dazu in die Sonne stellen, auf die warme Heizung oder ins warme Spülbecken. Hat sich der Teig verdoppelt, das restliche Mehl, die Butter, 4 Eier, die zwei Eigelbe, Zucker, klein gehacktes Orangeat, gehackte Mandeln, die Milch und eine Prise Salz hinzufügen. Auf einem gebutterten Backblech weiter aufgehen lassen. Anschliessend eine Taube formen, grosszügig mit Hagelzucker und ganzen, ungeschälten Mandeln bestreuen. Den Teig nochmals aufgehen lassen. Zuerst 10 Minuten (alles mit Umluft) 210 Grad backen, anschliessend 45 Minuten bei 170 Grad fertigbacken. 

Gut gestärkt radle ich die eben himmlisch angefutterten Kalorien wieder ab und komme knappe 12 Minuten später leicht ausser Atem in Lörrach am Markt an. Dort kaufe ich freudig den ersten Rhabarber, den ich entweder zu einer süssen Wähe mit Ziegenkäseguss verarbeite, oder in den Ostersalat bestehend aus Kresse, Rucola, zarten Brenn­nessel­blättchen, Radiesli und Frühlingszwiebeln. Sehr lecker ist er aber auch im Kalbsragout. An spontanen Menuideen mangelt es mir keinesfalls und die Rezepte halte ich euch dann fest.

Dann suche ich „meine“ Kräuterfrau. Seit Jahren kaufe ich bei ihr meine Küchen­kräuter. Doch ich entdecke sie nirgends. Darüber ein wenig traurig, entdeckte ich jedoch einen Stand, der frische Pfefferminze nebst grottenhässlichen Blumen­gestecken verkauft. Okay, an denen schau ich vorbei und stehe brav mit meinen beiden Töpfchen zum Zahlen an. Rieche daran und bin mir nicht ganz sicher und frage, als ich an die Reihe komme, ob es die englische Minze oder Nana ist. Ver­ständnislos schaut mich die Verkaufsfrau an und meint, das wisse sie nicht. Sei halt einfach ne Minze.  

Ich entdecke am selben Stand eine violette Blüte an fedrigem Halm und Blatt. Ir­gend­wie erinnert sie mich an Lavendel. Erneute Frage meiner­seits: Ist dies Lavendel? Woher stammt der? Ich hatte solchen noch nie zuvor gesehen. „Halt einfach Lavendel, weiss auch nicht woher. Wahrscheinlich vom Gross­verteiler“ so ihre „kundenfreundliche“ Antwort. Auf meine schüchterne Nachfrage nach der Pro­vence fragt sie zurück, was das denn sei... Etwas irritiert über das Unwissen, das Desinte­resse und vor allem die Bezugslosigkeit zur Ware ziehe ich von dannen. Wir, die alles haben können und das Wissen verloren haben…
 
Gott sei Dank gibt es viele Köche, darunter auch meine beiden Lieblinge, die dieser Bezugslosigkeit gar nie zollten. Die mit vielen alten und neuen Sorten Gemüse und Kräutern ihre Condiments, Saucen, Suppen, Farcen, Bei­lagen und Hauptgänge zaubern. Die genau wissen, wann sie bzw. wo sie die frischen Kräuter auf der Wiese oder am Bachrand finden. Einfach weil sie sich im Fluss der Jahreszeiten befinden, damit verwurzelt sind und sich nebst der Freude auch Dankbarkeit auf den Tellern spiegelt. Und genau denen eifre ich nach. Dies sind meine Vorbilder. Ich will genauso kochen, mich weiterhin durch die Jahreszeiten beflügeln lassen und ähnliche Harmonien auf die Teller zaubern.

Kurz bevor ich frustriert über mein „Einkaufserlebnis“ nach Hause fahren will, entdecke ich doch noch  „meine“ Kräuterfrau.

Ihr Stand steht nun woanders, sie hat eine neue Frisur, aber ihre Bio-Kräuter sind immer noch die Vielfältigsten und Kräftigsten (im Aroma). Bei ihr entdecke ich das gleiche Kraut von vorher und frage danach. Sie erklärt mir mit einer mir ähnlichen Begeisterung, wie wenn ich übers Kochen loslege, dass es sich hierbei um den kanarischen Lavendel handelt. Ich finde ihn sehr hübsch, aber weil ich schon einiges in meiner Tasche habe und alles irgendwie ins Velokörbchen passen muss, begrenze ich meinen Einkauf auf frischen Koriander, Estragon und Thymian. Geistig koche ich bereits den Korianderkartoffelstock, der ganz fluffig vom Löffel fällt. Oder es brutzelt das mit Estragon, Kräuterseitlingen und getrockneten Tomaten gefüllte Pouletbrüst­chen bereits im Ofen. Oder der Thymianrisotto köchelt als Beilage zum Lamm­ragout an Cidre brut. Die Nanaminze kommt in den Pannacotta, in die kalte Erbsensuppe, in den Salat und natürlich als Tee....

Ich plaudere noch mit der Kräuterfrau und wir überlegen, wann die Goldmelisse und die Kapuzinerkresse dann endlich da sind. Ich frage die Kräuterfrau, ob sie den Sauerklee auch kennt? Nö, den kenne sie nicht. Ich beginne ihr über die mit grosser Vorfreude erwartete Liefe­rung dieser wunderbaren karminroten Knöllchen zu erzählen. Das heisst während dem Erzählen koche ich bereits J Man spült ohne zu schälen sie wie Pilze einfach gründ­lich ab. Halbiert sie der Länge nach (oder auch nicht) und beisst einfach gleich so hinein. Sie haben den Biss eines Radiesli und schmecken leicht säuerlich. Ich hoffe sehnlichst, dass sie recht­zeitig zur nächsten Sonntagsküche kommen. Dann werde ich sie mit andern Zutaten zu einem Frühlings-Carpaccio verwandeln. Die Kräuterfrau notiert sich die botanischen Eckdaten und anschliessend wünschen wir uns frohe Ostern und ich radle zurück.

Daheim topfe ich umgehend die neuen Kräuter um. Die Minze ist tatsächlich die Na­naminze wie ich beim Kauen eines Blättchens feststelle. Die kommt natürlich in den hübschen Majorell-Blauen Terra­cottatopf, den mir eine Freundin mit den Farben aus Yves Saint Laurents Garten in Marrakesch bemalt hat. Marrakesch - Schwesterstadt Marseilles. Schon bald…

Zurück hierher.

Wie ich auf der Terrasse ein wenig gärtnere, fällt der Wind zusammen und es beginnt zu regnen, was sehr gut für mein Vorhaben ist.

Ich schnappe Rebschere und Gartenhandschuhe, eine grosse Einkaufstasche und radle los. Alles dem kleinen Bach entlang und suche nach jungen Brenn­nesseln. Werde fündig kurz vor dem alten Elternhaus des Geburtstagskindes, das wir dem­nächst an der Sonntagsküche bekochen dürfen.

Davon schneide ich mindestens ein Kilo ab. Weil es regnet, sind die Stängel und Blätter nicht ganz so arg brennend. Zuhause spüle ich sie mehrmals gründlich ab und schneide mit den Gartenhandschuhen nur die Blätter in die Pfanne. Verfahre dann ähnlich wie beim Blattspinat, nur dass ich ihnen Wasser zum Verdampfen geben muss, während der Blattspinat das von alleine tut.

Nachdem sie zusammengefallen sind, spüle ich sie nochmals gründlich ab. Von Hand übrigens. Sie brennen nicht mehr. Säubere nochmals kurz die Pfanne und dann geht das Kochen los.

Mit roter Zwiebel, Butter, Rucola, Catalonia, Salz und Pfeffer werden die Brenn­nesseln gedünstet und anschliessend püriert. Mit Mandelmus, Wasser und Milch gestreckt. Die noch nicht allzu dünne Suppe kommt nun in den Tiefkühler und wird später vollendet. Das genauere Rezept findet ihr dann bei den Vorspeisen.

Mich begeistert sehr, was im Frühling alles an Zutaten auf der Wiese oder am Bachrand zu finden sind. Wildkräuter, die uns tolle Abwechslung auf die Teller zaubern. Probierts aus, macht euch auf die Suche nach Brennnesseln, Dost (wilder Mayoran), Bärlauch, Löwenzahn und Co und kocht.

Ich wünsche euch einen schönen Frühling :-)
 
A bientôt, Susann



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